15.9.2019

Andreas Durst - Portugieser 2015

Es gibt Portugieser 2015 von uralten, wurzelechten Reben aus der Pfalz von Andreas Durst.

Verkostung beim oder zumindest mit dem Winzer ist an sich immer schon ein bereicherndes Element im Einkaufserlebnis, aber das beschreibt den Einkauf bei Andreas Durst direkt in Bockenheim an der Weinstraße nur unzureichend. Nach telefonischer Anmeldung standen wir erstmal wie der Ochs vorm Berg vor dem Haus, keine Klingel, kein Schild, kein gar nichts. Garagenweingut halt, oder so ähnlich. Zum Glück kam der Winzer um die Ecke und die Probe konnte losgehen: Am Küchentisch standen drei Gläser und drei Flaschen Wein bereit. Silvaner, Angeldust und der Riesling Großer Durst, alles 2018. Alles spannend, aber alles so jung, dass es jetzt erstmal im Keller verschwindet. Auf zu rot: Spätburgunder Dorf und den Portugieser. Über 100 Jahre alte Reben, wurzelecht, eine echte Rarität in der Pfalz und mit Sicherheit auch in der Welt. Andreas Durst erzählt etwas von “wirtschaftlich nicht darstellbar”, viel Arbeit, Handarbeit versteht sich, ganz oben auf dem Riff, für nur wenige Flaschen. Aber die Arbeit lohnt sich. Wir kaufen ein paar Flaschen quer durchs Sortiment und bekommen dann beim Gehen noch zwei frisch aufgemachte Probierflaschen mit eingepackt. So haben wir noch nie Wein gekauft, wir kommen wieder.

Da eine der mitgegebenen Probierflaschen der Portugieser 2014 war, und nachhaltig beeindruckt hatte, landet nun wider besseren Wissens um die nötige Zeit im Keller, rein weil die Neugierde zu groß ist, der Jahrgang 2015 im Glas. Über drei Tage beobachten wir den Wein und was mit ihm passiert.

Abend 1: Der obligatorische erste Schluck direkt nach dem Aufziehen. Sehr verschlossen, vielleicht etwas Kirsche, etwas Holz, aber nichtmal das Holz will so richtig in die Nase steigen, im Mund dafür schon überraschend klar, hell, feingliedrig, nichts ist fett, nichts ist ausladend, sicher ist das Holz ein bisschen ruppig, aber wer will ihm das verübeln, wurde ja gerade erst geöffnet. Also Flasche wieder verschließen, morgen geht es weiter. Über den Abend deutet sich im Glas dann schon an, was passieren könnte. Kräuter, Würze, Kirsche, wir sehen morgen.

Abend 2: Der Tag hat gut getan, es ist mehr los in der Nase. Kirsche, eingekochte Holunderbeeren, etwas Alkohol, Gewürze. Nichts drängt sich wirklich auf, man muss suchen, eher dunkle Aromatik, dezent, zurückhaltend. Man riecht ein bisschen Aperol, Hustenbonbons mit Kirschgeschmack ohne die Süße, ein bisschen Zwetschgenkompott, dann wieder reife Kirschen mit Kräutern. Man hat das Gefühl, dass die Beschreibung dem Wein nicht wirklich gerecht wird, ständig ändert sich was, ständig gibt es Neues in der Nase und im Geschmack.

Abend 3: Was jetzt noch in der Flasche ist wandert direkt in die Karaffe und darf dort erstmal atmen. Der Wein ist danach noch schwerer zu greifen als bereits zuvor, komplex, tief, sehr lang, dabei aber sehr fein und elegant, jeder Schluck ein bisschen anders. Ich vermute, dass das Aromagedächtnis hier noch nicht genug Assoziationen gespeichert hat, etwas Gemüsiges, etwas Tannin, Rauch, Weihnachtsbäckerei und immer wieder die dezente, frische, reife Kirsche. Geil. In ein paar Jahren sicher noch deutlich geiler, aber wer die Zeit über mehrere Tage mitbringt kann schon jetzt viel Spaß damit haben.

Ähnliche Beiträge

comments powered by Disqus