Zwei Flaschen Ziereisen
Wir trinken zwei Weine vom Weingut Ziereisen in Baden: Den Weissburgunder Lügle aus 2014 und den Spätburgunder Talrain aus 2015.
Die Weine kommen dieses mal fast ganz aus dem Südwesten der Republik. Im Dreiländereck zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland liegt Efringen-Kirchen. Eigentlich dieses Jahr auch Veranstaltungsort des vierten badischen Landweinmarktes, aber Corona. Wir lassen uns dadurch nicht beirren und trinken den Landwein eben zu Hause: Von Hanspeter Ziereisen haben wir einen Weissen Burgunder Lügle aus 2014 und einen Spätburgunder Talrain aus 2015 im Glas. Das Weingut Ziereisen macht auf 21 Hektar rund um Efringen-Kirchen seit 2006 nur noch Landwein. Viel Handarbeit an den Reben, wenig Eingriff im Keller und dafür die Zeit, die der Wein eben braucht, sorgen für Qualität. Es wird eine große Bandbreite an Weinen produziert mit Fokus auf Gutedel und Spätburgunder und wir haben heute den Einstieg in die höheren Qualitäten im Glas.
Starten wir mit dem Lügle Weissburgunder: Der erste Eindruck ist cremig, Holzeinfluss, etwas gelbe Frucht, leicht überreifer Pfirsich. Im Mund hat der Wein eine feine Säure, sich sanft andeutende Reife und eine enorme Länge. Also wirklich. Das bleibt vom ersten Schluck an einfach ewig hängen und ganz am Ende kommt dann nochmal Würze mit. Das macht direkt nach dem Korkenziehen Spaß. Mit Luft kommt Honigmelone mit luftgetrocknetem Schinken in die Nase, ein paar Stücke Mango dazwischen und auf der Zunge nimmt die Säure Fahrt auf. Der Zug wird stärker, der Wein dichter, fordernder, zupackender und konzentrierter in der Struktur.
Die Nacht im Kühlschrank zeigt Wirkung und bringt die Elemente noch enger zusammen. Die sich andeutende Reife der ersten Schlucke ist kaum mehr spürbar. Zur Frische entwickelt sich eine buttrige Cremigkeit, dazu weiter die Melone und der Schinken, ein paar Beeren, etwas Pfirsich bleibt auch. Alles passt zusammen, da ist Tiefe, da ist Frische und dann ist da ein leeres Glas.
Der Talrain Spätburgunder hat einen verhalteneren Start und braucht ein bisschen Anlaufzeit. Holz, kurz ein bisschen ruppig, dann kommt Kirsche, dunkle Beeren, aber kein Cassis. In der Nase ist etwas Rauch, im Mund vom ersten Schluck an sehr klar, frisch und auch hier kommt wie beim Weissburgunder hinten die Struktur, wenn auch verschlossener und zugeknöpfter. Hier sollte Zeit helfen. Wie erwartet tut sie das auch und der Talrain fängt an aufzumachen. Ein bisschen grüner Waldboden, ein bisschen Unterholz, die Tannine sind deutlich, passen aber gut, geben einen Rahmen für den Rest. Da ist Kirsche mit Vanille, die Beeren wieder, eher kühl, ein bisschen rote Hagebutte, schlank, fokussiert.
Am zweiten Abend hat jemand Amarenakirsche ins Unterholz gekippt, allerdings zuckerfrei und nur im Duft. Die Frucht wirkt insgesamt noch klarer, intensiver in der Nase. Der Gerbstoff ist weiter spürbar, tut dem Wein aber gut, so wie er ist. Genau wie die Kirsche. Das wirkt sehr jung, sehr frisch, aber nicht zu jung. Ich finde, dass sich das so jetzt gerade sehr schön trinkt. Und wenn man noch warten will, dann wird das von hier aus sicher noch eine ganze Weile lang zulegen.