2.10.2022

Zwei Flaschen Mann

Wir trinken aus der rheinhessischen Schweiz vom Weingut Mann eine Flasche Weissburgunder Purpur 2019 und einen Spätburgunder Purpur x Calx 2018.

Die rheinhessische Schweiz ist bisher vor Allem wegen dem Weingut Wagner-Stempel in Siefersheim auf dem inneren Weinatlas aufgetaucht. Das Gebiet im Westen von Rheinhessen ist durch Felsen, Berge, okay im Vergleich zur tatsächlichen Schweiz eher winzige Hügel, und Täler geprägt und hat daher seinen Namen. Und nur unweit östlich von Siefersheim liegt Eckelsheim. Andreas Mann kann hier auf eine Weinbautradition bis nach 1699 zurückblicken und trotzdem hat es ihn erst Richtung Wirtschaftwissenschaft gezogen bevor er sich dann doch dafür entschieden hat Wein zu machen. Auf etwa 10 Hektar wachsen seine Trauben, die er möglichst naturnah mit viel Handwerk zu Wein macht. Wir trinken ja doch öfter mal Natural und die markanten dreigeteilten Etiketten des Weinguts Mann laufen einem da häufig über den Weg und ich fand schon immer, dass das interessant aussieht. Nur im Warenkorb waren sie bisher noch nie. Es war also an der Zeit das zu ändern. Der Weissburgunder kommt vom Porphyr, der hier in der rheinhessischen Schweiz die Böden prägt, und hat daher seinen Namen Purpur. Der Wein wird in gebrauchten Stück- und Halbstückfässern ausgebaut. Der Spätburgunder dagegen wächst sowohl auf Kalksteinböden (Calx) und Porphyr und wird im gebrauchten kleinen Holzfass ausgebaut. Beide Weine sind nicht gefiltert und nicht geschwefelt.

Wir starten aber weiß. So deutlich wie hier hatte ich noch nie Hefewürfel in der Nase. Das riecht direkt nach dem Aufmachen tatsächlich kurz erstmal exakt so wie ein frisch ausgepackter Würfel Backhefe. Ich finde das aber eigentlich ganz lustig. Das wird davon abgesehen relativ schnell sowieso abgelöst von einer mit Luft immer intensiveren würzigen, tiefen Nase. Da ist schon auch Frucht dahinter, die kommt aber nicht direkt nach vorne sondern legt sich um die Würze und schaut immer mal dazwischen hervor. Im Mund ist der Wein dann super frisch mit knackiger Säure, Zitrusfrucht und hinten raus viel Stoffigkeit.

Und auch einen Tag später hat der Wein noch einen leichten Stinker. Allerdings nicht nach Hefewürfel sondern irgendwie komplexer. Ich finde das sehr spannend, weiß aber gar nicht so genau was ich eigentlich schmecke. Da ist ein bisschen Gestrüpp, ein bisschen Trester, die Frucht ist nochmal ein bisschen weniger geworden. Die Säure ist genial. Die ist super reif und saftig und obwohl sie knackig ist, ist sie irgendwie das Gegenteil von Laserschwertsäure. Und so sitzt man dann da leicht verwirrt aber glücklich vor dem Glas und trinkt. Das ist so ungewöhnlich wie das gut ist, wenn man sich darauf einlassen mag.

Der Spätburgunder kam erstmal deutlich zu kühl ins Glas und das mag er nicht so. Mit mehr Temperatur kommt da dann dreckige Kirsche, etwas Waldboden, Flieder und getrocknete rote Beeren, die irgendwie an Cranberries oder sowas erinnern. An der Zunge greift dann mehr und andere Säure als ich erwartet habe. Die ist irgendwo zwischen wild und fruchtig und schon ein kleines bisschen rebellisch und wenn man ganz genau hinschauen will vermutlich auch nicht ganz das was man als komplett sauber bezeichnen würde, aber eben genau so dosiert, dass es nicht stört sondern eine tolle Kante gibt. Hinten raus kommt dann eine gute Portion Sauerkirsche. Gerbstoff hat er kaum, den vermisse ich aber auch nicht. Das macht richtig Spaß so.

Der Gerbstoff taucht dann einen Tag später erstaunlicherweise auf. Mangels Platz musste der Wein die Nacht außerhalb des Kühlschranks verbringen. Wer hier öfter liest weiß, dass eins meiner größten Probleme mit Natural oft ist, dass der Gerbstoff am zweiten Abend nicht mehr so richtig zum Wein finden will und es für mich dann voll auseinander fällt. Und der hier tanzt da gerade auf der Messerklinge zwischen mag ich und fällt auseinander. Das was da dann liegen bleibt, wenn der Wein verschwunden ist, das ist einfach nicht meins. Und es kann sein, dass ich da sehr empfindlich bin, weil die Mittrinkerin hat nichts zu meckern. Und das was davor passiert mit Saftigkeit, Hagebutte, Hibiskus und der tollen, frischen Säure, das finde auch ich richtig gut. Nächstes mal leeren wir die Flasche einfach gleich am ersten Abend. Da gab es nämlich überhaupt keine Meckerei.

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