Drei Flaschen Schwedhelm
Wir trinken vom Weingut Schwedhelm aus der Pfalz eine Flasche Zellertal Scheurebe 2021, eine Flasche Riesling Schwarzer Herrgott 2021 und eine Flasche Zellertal Spätburgunder 2020.
Es ist ewig her, dass wir mit den Weinen von Christopher Full hier am südlichsten Zipfel von Rheinhessen waren. Und was für Rheinhessen der südlichste Zipfel ist, ist gleichzeitig für die Pfalz der hohe Norden. Zellerweg am schwarzen Herrgott, Rheinhessen, und Zeller Schwarzer Herrgott, Pfalz, sind weniger als einen Steinwurf voneinander entfernt. Ein Schritt zu weit und man wechselt das Anbaugebiet. Das Weingut Schwedhelm im Zellertal liegt in Zell, linksseitig der Grenze in der Pfalz. Bei einer unserer Touren sind wir hier auch schon vorbei gekommen. Leider waren wir nicht schlau genug vorher anzurufen und natürlich hatten wir Pech und gerade war niemand da. Wird uns nicht nochmal passieren. Egal, allein die Landschaft im Zellertal ist den Besuch mehr als wert, wären da nur nicht die engen Straßen, teils ohne Fahrbahnmarkierung, auf denen man von Pickups in Höchstgeschwindigkeit überholt wird. Nicht die schönste Autofahrerinnerung in meinem Kopf. Stephan Schwedhelm hat das Familienweingut noch unter dem alten Namen Klosterhof 2006 übernommen und mit dem Einstieg seines Bruders Georg wurde dann 2014 das Weingut Schwedhelm im Zellertal geboren. Wir trinken heute drei Weine der Beiden: Eine Flasche Zellertal Scheurebe aus 2021, eine Flasche Zellertal Spätburgunder aus 2020 und aus der Spitzenlage Schwarzer Herrgott eine Flasche Riesling 2021.
Die Scheurebe riecht direkt nach dem Aufmachen wie eine Packung saure Pfirsich- und Apfelringe. So deutlich hatte ich das, soweit ich mich erinnern kann, noch nie im Glas. Dazu kommt eine gute Portion Zitrusfrucht. Im Mund ist viel Textur und überhaupt deutlich mehr Struktur als die intensiv fruchtige Nase erstmal hätte vermuten lassen. Da kann man drauf rum kauen und die Saftigkeit tut ihr Übriges. In letzter Zeit trinke ich eigentlich immer lieber Scheurebe und die hier reiht sich da nahtlos ein. Die Kunst ist es ja immer, dass so ein Wein nicht zum belanglosen Fruchtbonbon verkommt und diese Flasche ist da glücklicherweise meilenweit davon entfernt.
Die sauren Fruchtgummis sind über Nacht verschwunden. Da ist jetzt viel exotische Frucht, ein paar grüne Noten und eben die ernsthafte Struktur am Gaumen. Das ist wirklich mehr als nur eine Alternative zum Sauvignon Blanc und auch wenn man sie immer öfter antrifft sicherlich noch deutlich unterschätzt.
Der Riesling aus dem schwarzen Herrgott startet sehr hefig in der Nase. Da ist gelbe Frucht, etwas Cremiges und Stein. Das wirkt irgendwie noch aufgewühlt und unfertig und ja, ich kann euch schon brüllen hören, dass das ja überhaupt viel zu jung ist und warum ich das jetzt schon aufmache und das wird dem Wein ja nie und nimmer gerecht und sowieso sei ich dann ja selber schuld wenn das so schmeckt. Stimmt vielleicht, ich hatte aber Lust auf die Flasche. Deshalb gönnen wir dem Riesling statt der üblichen zwei Abende einfach noch einen dritten Tag und schauen mal was passiert. Wo die Nase noch hinterher hängt, ziehen die übliche 2021er Säure zusammen mit einer so fetten Ladung Textur aber so fest an Zunge und Backen, dass man sich die Frage, ob man vielleicht zu früh dran war, dann gar nicht mehr so deutlich stellt.
Über Nacht wird der Wein karger, mineralischer. Die sehr deutliche Hefenote geht zurück und mit ihr auch ein bisschen die extreme Textur des ersten Abends. Das ist harmonischer geworden auf der Zunge. Klar, die Säure ist immer noch da, aber die feine gelbe Frucht schafft es jetzt auch an der Struktur vorbei und hat hinten raus fast so ein bisschen Ananas und einen Hauch von Süße.
Am dritten Abend riecht man die Frucht dann auch deutlicher. Das Hefige ist jetzt komplett verschwunden und der Wein wirkt dunkler. Da ist Grapefruit und insgesamt sehr viel Zitrusfrucht. Die Säure dominiert wieder voll und ganz das Mundgefühl und die Stoffigkeit und Saftigkeit kämpfen um die Oberhand. Mir fehlt die Erfahrung um sagen zu können wo sich das hin entwickelt, aber wenn die drei Tage in der geöffneten Flasche ein Fingerzeig auf die Zukunft sind, dann ist das, wenn man ihm die Zeit gibt, jetzt schon toll, wird aber sicher noch viel großartiger in ein paar Jahren.
Der Spätburgunder Ortswein ist insbesondere nach dem Riesling ein richtiger Charmeur. Das startet sehr samtig schon beim Riechen mit feiner, roter Frucht, etwas Holz, etwas Rauch, Kirsche und Veilchenlikör. Und auch im Mund ist das sanft, weich, harmonisch mit leichter Würze, etwas Säure die Saftigkeit bringt und der tollen Frucht. Das fängt einen dann auf, nachdem man vom Riesling durch die Mangel gedreht wurde.
Und mit einem Tag Luft wird das erstaunlicherweise noch harmonischer. Das ist jetzt so schön, dass man da sitzt, die Nase ins Glas hängt, leise vor sich hin lächelt und dann die Nase direkt nochmal rein hält. Das ist einfach schön. Nicht besonders herausfordernd, nicht anspruchsvoll. Da ist auch keine Kante oder besonders viel Komplexität, nichts was laut ruft oder irgendwie anecken will oder besonders tiefsinnig Aufmerksamkeit fordert. Aber das ist so rund, so harmonisch, so einfach nur lecker, dass mir jede Kritik daran nicht egaler sein könnte. Ich habe sowieso nie verstanden warum lecker bei Wein etwas Verwerfliches sein könnte. Ich glaube davon kauf ich noch ein bisschen nach.