Zwei Flaschen Wachtstetter
Wir trinken zwei Varianten Lemberger vom Weingut Wachtstetter: Einen weissgekelterten Sekt und eine Flasche Pfaffenhofer Hohenberg Erste Lage 2018.
Irgendwie war mir mal wieder danach mich ein bisschen durch Württemberg zu trinken. Schließlich kann das schönste Weinbaugebiet dieses Landes gar nicht genug im Rampenlicht stehen. Und fairerweise tut es das in der restlichen Weinwelt auch nur sehr begrenzt, auch wenn hier in den letzten Jahren Einiges in Bewegung geraten ist. Einen kleinen Anteil daran hat sicher auch die Initiative Junges Schwaben der Winzer Hans Hengerer, Jürgen Zipf, Sven Ellwanger, Rainer Wachtstetter und Jochen Beurer. Jeder der Fünf füllt einen Wein unter dem gemeinsamen Label Junges Schwaben. Den Sauvignon Blanc vom Weingut Bernhard Ellwanger hatten wir in gereift vor inzwischen fast drei Jahren schonmal im Glas. Absolut verrückt wie schnell die Zeit vergeht. Nicht nur hier im Blog, auch bei den Winzern selber, die inzwischen eher junggebliebenes als junges Schwaben sind, wurde doch gerade erst das 22-jährige Bestehen der Gruppe gefeiert. Seis drum. Wir trinken heute den Vertreter vom Weingut Wachtstetter, einen Lemberger 2018 aus dem Pfaffenhofer Hohenberg, der vom VDP als Erste Lage klassifiziert ist. Die Reben wachsen dort auf Schilfsandstein und Gipskeuper und der Wein wird nach der Maischegärung im Barrique mit etwa 30% neuen Fässern über fast zwei Jahre ausgebaut. Und aus dem Drang heraus immer wieder neue Sachen zu probieren gibt es noch eine Flasche weissgekelterten Lemberger Brut in der Blubbervariante aus 2019. Der wird in gebrauchten Barriquefässern ausgebaut bevor es zur traditionellen Flaschenvergärung auf die Flasche geht. Ich kann mich nicht erinnern Lemberger mal schäumend getrunken zu haben und bin gespannt.
Und mit genau dem starten wir natürlich auch. Der Wein riecht deutlich hefig, stoffig und nach Brot. Die Frucht bleibt im Hintergrund, es riecht nach Birne und ein paar roten Beeren. Im Mund ist da dann Quitte und eine gute Portion Struktur. Die Säure ist spürbar, aber auf der eher dezenten Seite. Wer auf Lasersäure im Schaumwein steht, der wird hier nicht glücklich, aber vermutlich auch sowieso keinen Lembergerschäumer trinken. Also macht das nichts. Ich finde, dass der Sekt extrem weinig daher kommt und sich entspannt einfach so weg trinkt. Das ist unkompliziert und trotzdem ernsthaft und entwickelt mit mehr Luft dann auch noch deutlicher die rote Frucht. Wo das enorm gut funktioniert ist in Begleitung zu Kässpätzle. Da entwickelt der Wein einen ungeahnten Zug und Power. Man muss aus Lemberger sicherlich keinen Schaumwein machen, aber wenn man das so macht wie die Wachtstetters hier, dann kann man das gerne tun. Ich werde das wieder kaufen.
Mein grundsätzlicher Standpunkt der Ablehnung von kleinen Aufklebern oberhalb des Labels von Weinflaschen hat sich nicht verändert. Tatsächlich ist der kleine Junges Schwaben Bäbber gerade so an der Grenze um schrullig genug zu sein, dass ich es charmanter finde als unangenehm, aber eben nur gerade so an der Grenze. Dem Inhalt ist das sowieso egal. Der Lemberger ist enorm würzig, dunkel und riecht nach Holz und Leder. Auch hier ist die Frucht eher dezent, wenn dann sind da sehr dunkle Beeren im Hintergrund zu erahnen, gemischt mit einer Marzipankartoffel nur ohne die Süße. Das ist vom ersten mal Riechen an richtig intensiv und transportiert das auch in Richtung Zunge. Da ist erstmal mehr Säure als ich erwartet hätte und auch mit mehr Frucht als die Nase angekündigt hatte. Die Sauerkirsche wird dann aber von deutlich spürbarem Gerbstoff abgelöst. Der ist zwar eingebunden genug, dass sich der Pelz an den Backen in Grenzen hält, aber hinten auf der Zunge macht er sich dann ordentlich breit. Da ist Widerstand im Wein und das gefällt mir.
Über Nacht schleift sich das ein bisschen ab. Die Nase ist deutlich weicher und offener geworden. Die Frucht ist mehr da und alles steht harmonisch nebeneinander. Da sind Aroniabeeren, Kirschen und ein bisschen Rauch. Auf der Zunge regiert jetzt die Frische und der Wein hat richtig Zug entwickelt. Das wirkt alles noch super frisch und jung und wird garantiert noch eine ganze Weile zulegen im Keller. Aufkleber auf der Flasche hin, Aufkleber her, das ist großartig.