Weedenborn - Chardonnay Réserve 2020
Wir trinken vom Weingut Weedenborn aus Rheinhessen eine Flasche Chardonnay Réserve 2020.
In Monzernheim in Rheinhessen liegt auf 232 Metern über Null das Weingut Weedenborn. Wem Monzernheim ähnlich viel sagt wie mir: Das liegt etwa 2,5 Kilometer Luftlinie nordwestlich von Westhofen. Für Rheinhessen sind über 200 Meter ziemlich hoch und die 232 N.N hat damit auch den Weg auf den Korken gefunden. Und noch etwas anderes ist besonders hier. Obwohl Rheinhessen ohne jeden Zweifel Rieslinggebiet ist, ist mir selber das Weingut Weedenborn eigentlich fast immer im Zusammenhang mit Sauvignon Blanc über den Weg gelaufen, einer Rebsorte, die in den 10 häufigst angebauten Sorten im Gebiet 2019 laut Wikipedia noch nicht einmal auftaucht, hier im Weingut jedoch die Hauptrolle spielt. Gesine Roll baut aber natürlich auch andere Sorten an und sogar Riesling gibt es. Da ich zur Zeit irgendwie gerne Chardonnay trinke, gibt es weder Riesling noch Sauvignon Blanc, sondern eben Chardonnay. Der Réserve aus 2020 durfte nach der spontanen Vergärung noch für 18 Monate in neuem Holz auf der Vollhefe reifen bevor er ungefiltert gefüllt wurde.
Das Holz riecht man ziemlich intensiv. Der Wein wirkt kühl, dicht, ein bisschen gelb und eben ziemlich deutlich holzig so direkt nach dem Aufmachen. Wirklich viel Anderes will da auch nicht passieren und man merkt ziemlich deutlich, dass hier Sauerstoff gefordert ist. Auch auf der Zunge ist alles sehr eng beisammen. Das ist steinig, mineralisch und irgendwie salzig vorne auf der Zunge mit so einem bisschen grünem Apfel dabei. Das ist ohne Frage sehr gut, aber das ist gleichzeitig auch überhaupt noch nicht da. Und weil wir Zeit haben und uns nicht mit Potentialtrinken begnügen müssen, bleibt es bei dem einen Glas und der Rest übernachtet im Kühlschrank. Die letzten Jahre haben immer wieder gezeigt, dass das die beste Lösung ist.
Wie erwartet hilft das auch. Der Wein ist deutlich runder geworden, das Holz mehr eingebunden, die Frucht mehr da. Mit ein paar Grad Temperatur mehr wird das noch deutlicher. Zu kalt ist hier gar nicht gut. So wird das dann richtig cremig auf der Zunge und das Holz liefert die Struktur dazu. Das ist frisch, fein, sehr elegant und wirklich gut. Das fängt an total harmonisch zu werden und hat gleichzeitig noch Kante. Und obwohl mir das so richtig gut gefällt, denke ich, dass es noch nicht am Ende der Entwicklung, die durch Warten in der offenen Flasche noch geht, angekommen ist. Also wieder zurück in Richtung Kühlschrank.
Und ich sollte Recht behalten. Es wird tatsächlich noch weicher, noch harmonischer, noch ein bisschen feiner. Das Holz ist viel leiser geworden, die Frucht ist kühl und präzise. Und gleichzeitig ist das super mineralisch und voller Kräuter. Wenn man das jetzt trinkt muss man aufpassen, was da so an Aromen an einem vorbei fließt, so viel passiert da. Innerhalb des Rahmens von Holzstruktur hat es sich die Cremigkeit auch ziemlich bequem gemacht inzwischen. Ich mag, wie harmonisch und rund das über die drei Tage zusammen gekommen ist. Und ich freue mich, dass das überhaupt diese Entwicklung genommen hat. Nur weil man denkt, dass da die nächsten Tage noch was kommt, ist ja noch lange nicht gesagt, dass da dann auch tatsächlich noch was kommt. Hier hat es geklappt. Und wie immer mag die persönliche Präferenz den einen oder den anderen Abend mehr oder weniger bevorzugen. Bei mir ist das dann oft der zweite Abend, der Abend an dem es schon weich und rund wird, die Kante aber noch nicht verschwunden ist. Und auch hier war das so. Aber der eigentliche Wert liegt beim Trinken über mehr als einen Tag ja sowieso nicht beim irgendwo ankommen, sondern in der Reise selber. Diese Flasche hat das wieder einmal deutlich gezeigt.