28.5.2023

Zwei Flaschen Giuseppe Calabrese

Wir trinken in der kleinen Italienreihe zwei Weine aus Kalabrien von Giuseppe Calabrese: Einen Vadduna Longa 2020 und einen Pollino 2016.

Weiter geht es in der kleinen Italienreihe mit Rebsorten, die ich noch nie zuvor im Glas hatte und Weinen, die ich nur wegen der Etiketten kaufen würde. Und trotzdem kann ich bei diesen beiden Flaschen den reinen Etikettenkäufergrund an Absurdität noch überbieten und mit dem bisher sicherlich beklopptesten Grund zum Weinkauf aufwarten. Nicht ganz ein Jahr ist es her, dass sich im letzten Sommer in Karlsruhe bei Das Fest, tolles Festival übrigens, die Ausnahmeformation Roy Biance und die Abbrunzati Boys mit ihrem Italoschlager und viel Amore in mein Musikherz gebohrt hat. Da war es unausweichlich, dass ich beim Stolpern über Weine aus Cosenza als echter Tifosi natürlich nicht Nein sagen konnte. Denn obwohl es in Cosenza das Gute nicht leicht hat (Achtung, bei Klick auf den Link herrscht die Gefahr ganz tief in den Schlagerstrudel gezogen zu werden), hatte ich Lust auf die Weine aus Kalabrien. Tatsächlich die ersten Weine aus Kalabrien für uns und, natürlich, auch wieder zwei Rebsorten, die unsere Gläser ebenfalls noch nie gesehen haben. Passt also perfekt in diese Woche. Giuseppe Calabrese, wie perfekt ist dieser Name dann bitte auch noch, macht Wein in der Nähe von Saracena, nördlich von Cosenza, irgendwo zwischen Spitze und Absatz des Stiefels Italiens. Die Reben wachsen hier auf Kalkboden etwa 350 bis 400 Meter über dem Meer. Der 2020 Vadduna Longa wird aus der Sorte Guarnaccia gekeltert, bleibt für einen Tag samt Stiel und Stängel auf der Maische und wird dann für ein halbes Jahr auf der Vollhefe gelagert. Der Pollino ist ein reinsortiger Maggliocco Dolce, liegt sechs Tage auf der Maische, danach ein Jahr im Edelstahl und dann nochmal 15 Monate in der Flasche bevor er in den Verkauf kommt. Da ich beide Rebsorten vorher noch nicht einmal gehört habe, fehlt mir natürlich jeder Vergleichswert. Etiketten vergleichen, das kann ich aber, und, wie schon vorher geschrieben, sind eben diese ziemlich schön.

Beim Einschenken erschrecke ich kurz ob der Farbe des Vadduna Longa. Der ist ziemlich dunkel im Glas und erinnert stark an Sherry. Und auch in der Nase ist das ziemlich speziell aber gleichzeitig enorm spannend. Die nussige, hefige und auch steinige Nase macht richtig Spaß. Da ist irgendwo auch Frucht dazwischen, aber nur in Anklängen und nicht wirklich zuzuordnen. Und das was dann an Säure auf der Zunge ankommt, bringt erst einmal viel Frische bis sich dann die Textur weit hinten an der Zunge fest krallt. Das lebt genau so vom Mundgefühl wie es vom Geruch her kommt. Das ist weich und straight gleichzeitig, spannend und sehr unerwartet.

Einen Tag später ist der Wein noch viel schwerer zu greifen. Kräuteriger ist er geworden und irgendwie auch ein bisschen fruchtiger. Aber welche Frucht da ist, da sind wir beide überfragt. Was aber überhaupt nicht in Frage steht, ist die Saftigkeit die der Wein inzwischen entwickelt hat. Wie frisch das ist, wie das zieht, wie das Schmelz hat und wie die an Grapefruit erinnernde Säure immer wieder durch den Rest schneidet. Sehr stark. Im leeren Glas riecht das dann ein bisschen nach Ananas und überhaupt ist es für mich immer ein ziemlich gutes Zeichen, wenn auch im leeren Glas noch interessante Sachen zu Riechen sind.

Rein aus Interesse wie stabil das ist schafft es ein kleiner Rest noch zwei weitere Tage im Kühlschrank zu warten. Und was soll ich sagen, geschadet hat es ihm nicht. Ganz im Gegenteil, das ist immer noch wirklich schön. Die Nase schon ziemlich oxidativ, kaum Frucht, eher herzhaft, aber eben mit dieser Frische auf der Zunge und dieser Klarheit. Sehr eigen, sehr speziell und sicher manchmal auch schwer vermittelbar. Aber eben auch ziemlich großartig.

Der Pollino hat ebenfalls ein bisschen was Nussiges. Dazu rote, sehr trockene Frucht, Kräuter und auch was Blumiges. Das ist intensiv und irgendwie fein und zerbrechlich gleichzeitig. Auf der Zunge dann sehr kühl mit feinem, weichem Gerbstoff, der dann mit Sauerstoff beim Schlürfen aber doch den Mund austrocknet. Hier hat man im leeren Glas dann vor allem Würze, irgendwie Umami mit frischen Pilzen und Kräutern. Ich mag den Kontrast, die Frische auf der Zunge, das Trockenobst in der Nase. Viel zu entdecken gibt es da.

Der Wein verändert sich dann kaum über Nacht. Wir hatten vor Kurzem mal wieder Portugieser von Durst, und das ist so vom Weingefühl nicht so weit weg davon. Nicht so sehr in der Aromatik, aber wie leise und tief das ist, wie fein, wie komplex, wie viel man findet, wenn man sucht. Das ist frisch, klar und hat gleichzeitig richtig Grip und Kraft. Weine, die ich überhaupt nicht auf der Karte hatte und jetzt froh bin, dass sie ihren Weg hier auf den Tisch gefunden haben.

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