Vietti - Castiglione 2014
Wir trinken eine Flasche Barolo Castiglione 2014 vom Weingut Vietti aus dem Piemont.
Wenn man sich mit Wein aus Italien, oder vielleicht auch nur einfach mit Wein beschäftigt, ist es unvermeidlich, dass früher oder später der Name Barolo auftaucht. Der Rotwein aus dem Piemont, der komplett aus Nebbiolo gekeltert wird, ist oft genug einfach nur Synonym für guten, teuren Rotwein aus Italien, der mit seinen vielen Tanninen und gleichzeitig ordentlichen Portion Säure erstmal viele Jahre im Keller verschwinden sollte. 2014 war, wenn man sich mit Hilfe von Google durch diverse Jahrgangsbewertungen arbeitet, kein besonders gutes Jahr für Barolo im Piemont. Eher kalt und eher nass. Da ich aber zum Einen noch nicht besonders lange Wein trinke und zum Anderen auch nicht auf Verdacht größere Mengen Flaschen in diesen Preislagen angehäuft habe, muss man trinken, was man bekommen kann. Und überhaupt, habe ich persönlich schon mit ziemlich viel Wein aus Jahren ohne besonders guten Ruf viel Freude gehabt. Vietti macht in Castiglione Falletto im Piemont schon seit 1873 Wein. Allerdings hat 2016 ein Investor das Weingut aufgekauft und in diesem Jahr hat die Familie Vietti, die Führung des Weinguts an diesen Investor übergeben. Ob der Blick zurück ins Jahr 2014 mit dieser Flasche, dann auch noch ein Blick nach Vorne ist, wird sich deshalb zeigen müssen. Das Weingut besitzt eine große Anzahl an Weinbergen in verschiedenen Lagen in der Region und füllt daraus in der Spitze Einzellagenbarolos, die leider nicht im Budget liegen. Der Castiglione ist dann sowas wie der Guts-Barolo, in den die kleineren Lagen und die Trauben, die in den Einzellagenfüllungen nicht verwendet werden, einfließen. Die Trauben kommen aus zehn verschiedenen Gemeinden und aus über 20 verschiedenen Lagen. Das ist dann mit knapp über 50 Euro für die aktuellen Jahrgänge immer noch nicht unbedingt das, was man als Schnäppchen bezeichnen würde, aber immerhin erschwinglich. Die Lagen werden einzeln ausgebaut und anschließend, nach über 30 Monaten Ausbau im kleinen und großen Holz, verschnitten.
Das ist dann schon im ersten Moment nach dem Einschenken einer dieser Weine, in die man rein riecht und sich direkt freut, wie schön das eigentlich ist. Das ist super fein, ätherisch, mit einer wundervollen, beerigen Frucht, mit Flieder und mit Kirsche in der Nase. Das ist frisch, das ist würzig, das ist erdig mit einem Hauch Vanille hinten raus. Das ist enorm komplex und dabei ganz ruhig und ausgeglichen. Da ist nichts laut, aufbrausend oder aufgeregt. Da ist Gerbstoff im Wein, klar, der legt sich aber fein samtig auf die Zunge, bleibt da und wird dann von der Saftigkeit einer doch relativ zahmen Säure weg gespült. Was der Barolo auf der Zunge veranstaltet steht dem Duft tatsächlich in Nichts nach. Und obwohl man denkt, dass da schon ziemlich viel passiert, hat man das Gefühl, dass mit mehr Luft auch noch mehr Aroma in den Wein kommt. Die anfänglich sehr sanft wirkende Säure wird immer kräftiger und entwickelt immer mehr Zug. Und der Gerbstoff zieht mit und wird auch immer kräftiger ohne ruppig zu werden. Und es wird tatsächlich mit mehr Luft immer noch besser.
Am nächsten Tag ist da noch mehr Säure und noch mehr Struktur. Inzwischen irgendwo zwischen mürbe und kernig, Tendenz zunehmend, meint man, dass der Wein jünger wird, je länger er an der Luft ist. In der Nase ist die Frucht reifer geworden, ein bisschen süßer und dunkler. Das ist alles noch konzentrierter als am ersten Abend. Die Ätherik, die feine Note Menthol oder Eukalyptus, sind geblieben. Das ist ein Meditationswein, der sicher noch viel Zeit vor sich hat. Was ich spannend fand ist, dass das große Burgunderglas zwar fürs Foto und Trinkgefühl eine Menge hermacht, ich mir die ständige Angst vor dem Zerbrechen aber ersparen kann, weil ich den Duft aus unserem ganz normalen Feld-Wald-und-Wiesen-Gläsern eigentlich viel schöner finde. Da wirkt das noch einen Tick dichter, noch einen Tick mehr beisammen. Und das was mich gerade am meisten begeistert, ist wie schön sich das bei aller Komplexität auch einfach trinkt. Das ist so angenehm entspannt und damit ist man selber dann auch so angenehm entspannt dabei und muss nicht mit großen Denkerfalten vor seinem Glas sitzen.
Das einzige Problem das am Ende für mich bleibt, ist die vergebliche Mühe das einzuordnen. Ich kann ja nichtmal sagen, ob das jetzt besonders typisch schmeckt für Barolo oder nicht. War das jetzt tatsächlich ein nicht so gutes Jahr? Oder einfach nur Glück mit dieser Flasche. Das lässt sich in Zukunft aber vielleicht sogar noch ändern, es gibt ja durchaus auch noch andere Vertreter in dieser Preisregion. Nur die Zeit, die muss man vermutlich einfach haben, so jung, wie diese Flasche noch wirkt. Und dann steht da ja auch noch die Frage im Raum, wie das denn wäre nicht den Einstieg zu trinken, sondern weiter, oder sogar ganz oben ins Regal zu greifen. Dafür bin ich aber vielleicht einfach zu sehr Schwabe und überhaupt, ist das Bessere ja oft der Feind des Guten. Und wenn ich mit dieser Flasche hier schon so glücklich bin, warum sollte ich mir das kaputt machen?