3.9.2023

Zwei Flaschen Renaud Boyer

Wir trinken von Renaud Boyer aus den Burgund eine Flasche En Attendant Riaux Pinot Noir 2020 und eine Flasche Les Riaux Chardonnay 2021.

Obwohl Renaud Boyer aus einer Winzerfamilie stammt, wollte er vor seinem Winzerdasein sein Geld im Ingenieurshandwerk verdienen. Als ihm dann aber Weinberge seines Cousins zur Pacht angeboten wurden, schlug er zu und zog in den Keller seines Großvaters ein. Und dort ist er bis heute gelieben. Die ihm angebotenen Weinberge wurden schon seit den 80er Jahren biologisch bewirtschaftet, so dass sie gut in Renauds Idee Wein zu machen passten. Inzwischen wachsen seine Trauben auf etwa 3 Hektar Land verteilt im Burgund. Beim Wein machen verzichtet er komplett auf Schwefel, gefiltert und geschönt wird ebenfalls nicht. Wir probieren die Basis in rot und in weiß. Der Pinot Noir En Attendant Riaux 2020 ist als Coteaux Bourguignons gefüllt. Die Rotweine bei Renaud Boyer werden mit Stil und Stängel für etwa drei Wochen vergoren, bevor sie dann für mindestens ein Jahr im Holzfass ausgebaut werden. Der Chardonnay Les Riaux aus 2021 wird über einige Stunden direkt gepresst und dann ebenfalls auf der Hefe im Holzfass ausgebaut.

Der Chardonnay ist ziemlich würzig vom ersten Riechen an. Da sind nussige Aromen und ein bisschen bittere Zitrusfrucht, geht es nach der Mittrinkerin eindeutig Pomelo. Ich esse das eher selten, sie häufig, so dass ich mich auf das Urteil verlasse. Beim ersten Schluck passiert dann aromatisch erstmal gar nicht so viel, dafür aber umso mehr im Mundgefühl. Das wirkt kühl, sehr klar und geradeaus mit einem enormen Zug und jeder Menge Saftigkeit, die ganz hinten auf einem kleinen Bitterkratzen langsam ausklingt. Und obwohl das schon saftig los geht, wird der Wein mit Luft immer noch ein bisschen saftiger. Das wird immer besser und macht im Mund jetzt vom Gefühl ungefähr das, was sehr frisch gepresster Orangensaft auf der Zunge macht. Nur die Aromatik ist heller als bei Orangensaft. Da ich aber Zitronen- oder Limettensaft ebenfalls eher selten pur trinke, muss eben der O-Saft als Vergleich herhalten.

Über Nacht wird der Wein ein kleines bisschen cremiger, ein kleines bisschen mehr Holz kommt dazu. Die Energie im Wein, die Frische und die Klarheit sind weiterhin richtig gut. Und dazu die krasse Saftigkeit, sowohl im Sinne von überlaufendem Mundwasser als auch im Sinne der Erinnerung an tatsächlichen Saft, sind weiter voll da. Das wirkt zwar irgendwie extrem jung, macht dabei aber so viel Spaß, dass man nicht lange nachdenkt wie das wohl reifen würde. Wirklich ein toller Wein.

Auf dieser Note hätte ich auch gerne geendet, aber die Neugier wo das wohl hingehen könnte verleitet mich, wie schon bei unzähligen Weinen zuvor, einen kleinen Schluck in den dritten Abend zu retten. Der entscheidet sich dann aber über Nacht gegen eine Weiterentwicklung und für eine Oxidation. Wobei das technisch gesehen natürlich auch eine Art Weiterentwicklung darstellt. Die tolle helle Farbe ist einem eher traurigen Braunton gewichen und die Frische hat sich komplett verabschiedet. Das ist das erste Mal, dass mir das so passiert und es ist extrem schade, dass es ausgerechnet hier passiert. Es war auch nicht mehr oder weniger in der Flasche als bei vielen anderen dritten Abenden, so dass ich nicht denke, dass es an einem zu kleinen Rest gelegen hat. Und da der Wein am zweiten Abend genau so frisch und sauber war wie am ersten Abend, kommt diese Entwicklung ehrlicherweise auch ziemlich überraschend. Jetzt heißt es verdrängen und die ersten beiden Abende im Gedächtnis behalten. Die waren nämlich wirklich gut.

Der Pinot Noir hat beim allerersten Riechen eigentlich nur Kirsche in der Nase. Die wird aber schon in den ersten Momenten immer dunkler und erdiger. Das riecht dazu ein bisschen pfanzlich und auch so ein bisschen nach Marzipan. Das was die ersten zwei, drei Momente ziemlich eindimensional war, wird dann immer komplexer und interessanter. Ziemlich unvorbereitet trifft mich dann der erste Schluck. Junge hat das Zug. Der Chardonnay war ja schon mit einer lebendigen Säure gesegnet, aber der Pinot zieht da ganz entspannt vorbei. Wir trinken den Wein bei sommerlichen Temperaturen und da ist das ein perfekter Partner, denn was die Säure nicht ist, ist anstrengend. Das ist einfach nur frisch.

Über Nacht kommt dann die Kirsche wieder mehr hervor und es wird weicher in der Nase. Und nachdem man kurz überlegt hat, ob das auch beim Trinken so sein würde, holt einen die Säure auf den Boden der Tatsachen zurück. Die ist nämlich im Kühlschrank ganz langsam in Richtung Naturwein gewandert und ist gefühlt kurz davor, von der Naturalklippe zu springen. Wer sich im Frühsommer gerne mal eine Hand voll roter Johannisbeeren in den Mund schiebt, der sollte sich gut vorstellen können, was das so anstellt mit den Geschmacksknospen. Es gibt ein paar Tage im Jahr, da feiere ich das. Es gibt andere Tage im Jahr, da laufe ich schreiend davon. Glücklicherweise gibt es da dann die Mittrinkerin, die mir erklärt, wie lecker und saftig das denn ist. Und um ehrlich zu sein, der Kontrast zwischen der roten Frucht mit dem Anflug von Samtigkeit in der Nase und die dann über die Zunge galoppierende Säure, hat schon auch einen eigenen Charme.

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