Zwei Flaschen Eymann
Wir trinken vom Weingut Eymann eine Flasche Toreye Spätburgunder 2017 und einen Riesling Schlossberg 2019.
Während ich die Flasche der letzten Woche früher als geplant aus der Kiste geholt habe, ist mir der Spätburgunder von Eymann in die Hände gefallen. Gekauft habe ich den zusammen mit den Flaschen, die wir bei der letzten Runde Eymann hier besprochen hatten. Und dann habe ich ihn vergessen. Was sich als ziemlicher Glücksfall herausstellen wird. Dazu aber später. Wie schon beim letzten mal ist Vincent Eymann für die Weine verantwortlich. Die inzwischen fast 18 Hektar Weinberge rund um Gönnheim in der Pfalz werden biologisch bewirtschaftet und das schon seit vielen, vielen Jahren. Im Weingut werden neben Schaumweinen vor Allem Riesling und Spätburgunder produziert, und wir trinken passend dazu heute Riesling und Spätburgunder. Die Weine der Toreye Reihe sind eine Lagenselektion auf einer Qualitätsstufe über den Ortsweinen und unter den dedizierten Lagenweinen. Von diesem Spätburgunder aus dem Jahr 2017 gibt es knapp über 3000 Flaschen. Der Wein wurde für etwa ein Jahr im großen und kleinen Holzfass ausgebaut. Der Riesling aus dem Wachenheimer Schlossberg stammt von wurzelechten Rebstöcken, die über 50 Jahre alt sind und auf Buntsandstein wachsen. Er wird spontan im Holz vergoren. Die Parzelle ist winzig, deshalb gibt es nur etwa 420 Flaschen und 30 Magnums dieses Weines.
Wie angedeutet, so eine Flasche Spätburgunder vergessen und dann wieder finden, das kann ziemlich großartig sein. Und hier ist es genau das. Kurz hatte ich die Befürchtung, dass 6 Jahre auf dem Buckel den Wein vielleicht schon über den Zenit in Richtung absteigenden Ast geschoben haben könnten. Aber das war völlig zu unrecht. Das ist Wohlfühlwein. Das ist einer dieser Weine, die man einschenkt, das Glas an die Nase packt und dann selig vor sich hin grinst. Da ist sehr sanfte, rote Frucht, viel Kirsche, etwas Holz und etwas Marzipan. Dahinter ein kleines bisschen Ätherik und eine Spur Erde. Beim Trinken wirkt der Spätburgunder saftig kühl mit einem ganz weichen Gerbstoff. Das ist hier aber gar nicht so zentral. Ich schreibe immer mal wieder von Weinen, die mich am ersten Abend nicht so richtig abholen wollen, obwohl ich in der Summe der Teile schon verstehen kann, dass es eigentlich gute Weine sind. Das hier ist das exakte Gegenteil. Das hier ist direkt vom ersten Moment an größer als die Summe der Teile. Das ist nicht der größte Spätburgunder an dem ich je gerochen habe, das ist nicht der tiefste Wein, obwohl es schon viel zu entdecken gibt, und vielleicht auch nicht der Eleganteste. Und gleichzeitig ist das komplett egal. Weil alles, was dieser Wein in genau diesem Moment hat, perfekt zusammenkommt. Im Glas und in meinem Kopf.
Am nächsten Tag ist da mehr Würze und die Frucht geht etwas in den Hintergrund. Das ändert aber nichts am Drang, die Nase ins Glas zu halten. Jetzt mit so einem Tag mehr Sauerstoff fällt noch mehr auf, wie firsch das eigentlich schmeckt. Die Zeit in der Flasche, die man beim Riechen schon spürt und die garantiert auch ausschlaggebend dafür ist, wie harmonisch Alles zusammen kommt, die scheint am Mundgefühl vorbei gegangen zu sein. Leider, und ich habe gezielt nachgeschaut, war es die einzig vergessene Flasche dieses Weins. Schade. Ach und noch etwas ist schade. Dass keine Linsen dazu auf dem Tisch stehen. Ich habe so eine Vermutung, dass das diesen Wein sogar noch besser machen könnte.
So ein Riesling hat es da im Anschluss sehr schwer. Und gerade die erste Nase ist sehr typisch Riesling, mit ihrer gelben Frucht und der steinigen Mineralität. Jede Umdrehung im Glas macht den Wein dann aber gleichzeitig spannender und rätselhafter. Das bekommt zuerst eine sehr herbe Quittennote, die dann wieder verschwindet und von Würze mit einem Klecks Klebstoff abgelöst wird. Noch mehr Luft sorgt dann dafür, dass eine intensive Kräuterigkeit im Wein auftaucht. Das ist schon in den ersten Minuten im Glas ein ziemlich wilder Ritt. Beim Trinken ist viel Frische im Wein, Zug und auch die gelbe Frucht von ganz am Anfang. Eigentlich sehr charmant, bis dann immer mehr Textur hinten auf die Zunge kommt und irgendwas Holziges, das für mich da nicht ganz dazu passen will. Das ist ohne Frage sehr gut. Aber es ist eben schon auch ein wenig anstrengend.
Im Geruch tut sich nicht viel über Nacht. Mehr Quitte, die Kräuter sind geblieben, der Stein auch. Aber es trinkt sich ziemlich anders. Viel saftiger mit deutlich mehr Zug und zitrusfruchtiger Säure mit sanften Bitterstoffen dahinter. Man zieht die Backen nach innen, die Zunge hoch und bevor man es realisiert, überkommt einen dieses unangenehme Weintrinkerschmatzen, das hier am Esstisch aber nur uns selber stören könnte. Das hat gefehlt am ersten Abend und ich bin froh, dass es jetzt da ist. Dieses leicht verstörende Ende, dieser holzige Ton, den ich nicht zugeordnet bekommen habe, das ist komplett verschwunden. Der Wein ist lang, saftig und geradeaus. Der Wein ist kein Wohlfühlwein und nirgends dürfte das so deutlich werden, wie in der Kombination mit dem Spätburgunder heute abend. Aber das macht den Wein nicht schlechter. Der fordert, hat Widerstand und jetzt, so mit einem Tag Luft, trinkt sich der Riesling dazu noch sehr schön. Und mehr und mehr Luft verstärkt genau das. Es kommt mehr Frucht dazu, es wird weicher und saftiger und fängt an leicht an Erkältungsbad zu erinnern. Das ist ein Lob und keine Kritik. So genau weiß man das bei Erkältungsbad ja nie. Und überhaupt ist dieser ganze Vergleich der beiden Weine kein Vergleich sondern nur eine Zufallskombination, die meiner Lust auf eben diese Flaschen geschuldet ist. Der Riesling ist zwei Jahre jünger und gleichzeitig in einer Kategorie Wein, die tatsächlich vergessen werden will. Falls ihr den Wein besitzt, dann macht das doch einfach. Auch das hier war eine einzelne Flasche, wie sehr viele Weine, die ich so kaufe. Zu viel Wein und zu wenig Leber. Da geht das nicht anders. Aber traurig bin ich nicht, dass beide jetzt weg sind. Weil es eben doch beides richtig schöne Weine sind.