Leiner - Kapelle Weissburgunder 2020
Zum Start ins neue Jahr gibt es ein Highlight aus dem letzten Jahr: Eine Flasche Kapelle Weissburgunder 2020 vom Weingut Leiner.
Das neue Jahr startet mit einem Wein, der für mich noch ein bisschen ins letzte Jahr gehört. Nicht der Jahrgang, der ist 2020. Entdeckt aber haben wir diesen Wein auf der Hausmesse der Weinhandlung Kreis, der Perspektive Wein, Anfang November eben im letzten Jahr. Es war nicht die einzige Entdeckung und so wird es in nächster Zeit hier und da mal Weine geben, die direkt nach der Messe in meinem Einkaufswagen gelandet sind. Ein Grund warum die Messe so toll ist, ist dass hinter der Theke fast immer der Winzer selber steht. Das sorgt zwar das ein oder andere mal aufgrund unseres Mangels an Kenntnis der französischen Sprache für Kommunikationshürden, aber grundsätzlich erlaubt das richtig spannende Gespräche. Sonntags war wohl ziemlich voll, aber wir waren Montags unterwegs und da war ausreichend Platz und Zeit für Unterhaltung. Ein netter Nebeneffekt war, dass man (neben super viel anderem Fachpublikum) sowohl Christoph von Originalverkorkt als auch Udo von SchmelzPerlageBodensatz über den Weg laufen und kurz Hallo sagen konnte. Wir haben zumindest kompetent genug gewirkt, dass wir öfter mal gefragt wurden, ob wir auch vom Fach sind. Nein, nur ambitionierte Hobbytrinker.
Simone Leiner stand mit ihren Weinen etwas abseits der größeren Verkostungshalle im Eingangsbereich zusammen mit den anderen Weingütern aus der Pfalz. Neben den Handwerk-Weinen, die wir vor ein paar Jahren schonmal probiert hatten und einem alkoholfreien Trauben-Kräutertee-Blubber hatte sie genau diesen Wein dabei. Und nachdem man sich die Weissburgunder-Leiter von Handwerk über Kalkboden zur Kapelle nach oben probiert hat, hat sich eigentlich nur noch die Frage gestellt ob das jetzt großartig oder richtig großartig ist. Die Leiners machen biodynamisch Wein in der Südpfalz rund um den Kalmit. Da wachsen auch die Trauben für die Kapelle, die allerdings Kapelle heißt und nicht Kalmit heißen darf, wegen Landwein und so. Die Reben stehen auf mit Kalk durchsetzten Lehmböden und werden von Hand gelesen. Der Most kommt ungefiltert erst ins neue Halbstückfass aus lokaler Eiche und liegt da dann für 15 Monate auf der Vollhefe. Bevor er anschließend, ebenfalls ohne Filtern, auf die Flasche kommt.
Und direkt beim ersten Reinriechen stehe ich wieder da am Stand und weiß warum ich den Wein haben musste. Da ist eine Mischung aus Grapefruit, Naturradler und gelben Früchten in der Nase. Cremig und super fein. Das ist Meditationswein, aber nicht ich meditiere über den Wein, hier meditiert der Wein selber. Das ist so ruhig und gleichzeitig so tief. Das Mundgefühl platziert sich irgendwo zwischen samtiger Cremigkeit und saftiger Mineralik und wenn der Wein verschwindet, dann zieht der nochmal einen Pinsel Honig über die Zunge. Und der klebt dann da. Ewig. Das ist verdammt gut und mindestens mal der beste Weissburgunder dieses Jahr. Was ehrlicherweise in dieser ersten Januarwoche nur begrenzt viel Aussagekraft hat, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Titel lange verteidigen wird.
Die Kapelle ist kein lauter Wein. Am zweiten Abend noch etwas weniger als am Ersten. Da sind Holunderblüten, etwas Klebstoff und ein paar gelbe Äpfel. Dazu Stein und reife Birnen. Alles zusammen und alles durcheinander und alles so beeindruckend sanft. Das zwingt einen zu Aufmerksamkeit und so wird aus dem meditierenden Wein ganz automatisch dann auch ein meditierender Weintrinker. Und dann das Mundgefühl. Diese samtige, ultra lange Cremigkeit, diese Eleganz, die ganz feine aber doch kernige Struktur. Keine Ahnung was genau es ist, aber irgendwie packt mich das gerade total. So leise der Wein ist, so lange bleibt er liegen. Ganz klar, offen und gleichzeitig ein komplettes Rätsel. Wie kann etwas gleichzeitig so ruhig und doch so intensiv sein. So sanft und gleichzeitig so viel Energie haben. Und das ausgerechnet von mir, der bei den meisten Weinen schreibt, wie toll die Kante darin ist. Hier gibt es keine Kante, nichtmal eine Ecke oder eine kleine Macke. Da reibt einfach gar nichts. Und trotzdem wühlt es mich komplett auf. Ein wirklich großer Weissburgunder.