Zwei Flaschen Heslach Heights
Wir trinken eine Flasche Underneath Riesling und eine Flasche Ralph Spätburgunder, beide 2021, von Stephanie Türk, die winzige Mengen Wein unter dem Namen Heslach Heights in Stuttgart macht.
Dass im Süden der Landeshauptstadt bemerkenswerte Weine gekeltert werden, wissen wir spätestens seit letztem Jahr. Da am Schimmelhüttenweg, zwischen Stuttgart-Süd, Heslach und Degerloch, hat auch Stephanie Türk auf einem Viertel Hektar angefangen Wein zu machen. 2016 hat sie sich entschlossen den Job in Hamburg an den Nagel zu hängen und im Süden Wein zu machen. Es folgt eine Winzerlehre und 2021 der erste eigene Jahrgang. Zum ersten Terrassenweinberg haben sich inzwischen Flächen in Hedelfingen und Untertürkheim gesellt. Knapp ein dreiviertel Hektar ist das insgesamt, praktisch gar nichts also. Für so einen Ein-Frau-Betrieb am Rande der Großstadt ohne Weingutsgebäude ist das gleichzeitig aber eine ganze Menge. Und wie immer bei solchen Projekten bedeutet das dann auch viel, sehr viel Handarbeit. Die Trauben werden natürlich auch von Hand gelesen, in einer alten Korbpresse gekeltert und dann im Stahltank ausgebaut. Vier Weine sind es im ersten Jahrgang geworden. Ein Trollinger, ein Rosé und eben der Riesling Underneath und der Spätburgunder Ralph, die vor uns stehen. Terassen, Liebe, Schweiß und Demut steht auf dem Riesling, nur 120 Liter gibt es. Auch das, praktisch gar nichts also. Beim Spätburgunder kenne ich die Menge nicht, viel unterscheiden wird es sich aber nicht.
Wir haben einen schweren Start, der Riesling und wir. Der Korken wirkt schon von außen eher bröckelig, entscheidet sich aber in einem Stück die Flasche zu verlassen. Vertrauenserweckend sieht er aber auch im Ganzen nicht im Geringsten aus. Ein Glück, dass es dem Wein gut geht. Der ist sehr natural. Eine Nacht lag er auf der Maische und das merkt man ihm natürlich an. Das ist ziemlich wild, da ist viel Grapefruit, Limo irgendwo zwischen Bitter Lemon und Ginger Ale, Apfelschalen und Tee. Viel Natural, aber schon auch viel Natural Riesling. Die Bitterstoffe ziehen einem die Zunge zusammen, intensiv, aber auf eine so fruchtige Art, dass es uns nicht stört. Ich kann mir aber vorstellen, dass das anderen Leuten ganz anders gehen könnte. Da ist Säure, Zug und Saftigkeit. Das was als Probierglas angefangen hat, ist dann ziemlich schnell die halbe Flasche und so zwingen wir uns zur Kühlschrankpause um zu sehen was am nächsten Tag passiert.
Es wird noch wilder und dabei auch weniger trinkig. Dieser Touch Limonade, der seinen Anteil daran hatte, dass der Wein schneller aus dem Glas verschwunden ist als wir nachschenken konnten, der ist weg. Das ist ein anderer Wein am zweiten Abend. Das ist nicht unbedingt schlimm, aber wenn man das gerne so limonadig saufig trinkt wie direkt nach dem Aufziehen, dann ist es mindestens schade. Es wird tonischer, etwas schlanker, metallischer und mehr Zitrone als Grapefruit. Mehr die Erinnerung an Zitrone jedoch als die eigentliche Zitrone. Da ist Hopfen und Frische. Entfernt erinnert mich der Riesling an ein leichtes IPA, der Gerbstoff ist integriert aber kräftiger, ein anderer Wein eben. Nicht schlechter, nicht besser, anders. Und weil ich das ziemlich spannend finde, hätte ich tatsächlich Lust das mal in zwei bis drei Jahren zu probieren. Ich habe aber zum Einen nichts mehr und zum Anderen steht da noch zerrüttete Korkenvertrauensverhältnis zwischen uns.
Der Pinotkorken ist besser, mehrere Jahre würde ich dem aber auch nicht vertrauen. Dafür sind die roten Schlieren schon zu weit nach oben gewandert. Ob das die ganze Charge betrifft oder wir einfach ein bisschen Pech hatten kann ich natürlich nicht sagen. Und auch beim Pinot hat es dem Wein nicht geschadet und vielleicht halten sie mit einer Portion Optimismus ja auch länger durch als man so denken würde. Die Mittrinkerin riecht Kellerkneipe mit Kirsche. Für mich wandelt das irgendwo zwischen erdiger roter Bete und Sauerkirschen. Und irgendwo im Kirschsaft liegt ein Stück Rauchfleisch und mariniert vor sich hin. Ein bisschen Holz, ein bisschen Dreck. Ich mag sehr wie sich das anfühlt. Wie es auf der Zungenspitze dumpf anfängt um dann beim nach hinten Durchlaufen immer mehr und mehr zu frischer Sauerkrische zu mutieren. Wie das irgendwie Pelz macht ganz in der Mitte der Zunge und gleichzeitig außen die Säure durchputzt. Das ist irgendwie kantig, rustikal, auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen zu sehr, aber eigentlich ist das herzlich und weich. So ein bisschen wie wir Schwaben vielleicht. Morgen gibt es Linsen mit Rauchfleisch. Das könnte schön werden.
Im Gegensatz zum Riesling passiert mit dem Wein fast gar nichts über Nacht. Das ist beruhigend, denn wie erhofft ist die Kombination zu den Linsen ziemlich großartig. Das ist dreckig, hat Struktur, Säure, irgendwo fliegt auch Frucht vorbei. Niemals würde ich auf Spätburgunder tippen, wirklich niemals. Stören tut mich das aber keine Sekunde lang. Linsen sind sowieso das beste Essen auf diesem Planeten. Und wenn der Wein dann so dazu funktioniert, was soll ich da kritteln. Es gibt ja auch Menschen, die sagen, dass Linsen nur undefinierbare braune Pampe sei. Diese Leute sind aber eben Idioten. Klar, nur die Karotte darf orangene Karotte bleiben, selbst der Staudensellerie verliert seine Farbe und ordnet sich dem Gericht unter. Das macht aber nichts. Denn Linsen, Spätzle und Saitenwürstle sind etwas Besonderes. Das ist identitätsstiftendes Essen. Das ist das, was man meint, wenn man sagt, dass Etwas viel mehr ist als die Summe seiner einzelnen Bestandteile. Das macht warm. Und gemütlich. Und dieser Wein, der macht das gerade noch ein bisschen besser. Und das sagt viel mehr über den Wein als ich das könnte.