Zwei Flaschen Domaine Du Bel Air
Zum Blogjubiläum trinken wir sehr passend eine Flasche Jour de Soif 2022 und einen Les Marsaules 2019 von der Domaine du Bel Air an der Loire.
Normalerweise würde man wohl mit Schaumwein auf ein Jubiläum anstoßen. Aber trotz meiner Liebe zu Schaumwein aller Art, war die Gelegenheit fünf Jahre Saufwein mit einem Wein, der Jour de Soif heißt, zu begießen viel zu verlockend. Fünf Jahre Saufwein also. Ich habe mir kurz überlegt Statistiken zusammenzutragen, wie viel Weißwein, wie viel Rotwein, welche Regionen und wie oft hat es geblubbert im Glas. Da ich aber schon Montag bis Freitag damit verbringe, Daten von A nach B zu schaufeln und aufzubereiten, hat sich das tatsächlich zu sehr nach Arbeit und zu wenig nach Spaß angefühlt. Vielleicht zum Zehnjährigen dann. Und wenn man so auf die Historie schaut und reflektiert, dann fragt man sich natürlich auch, ob man nicht viel mehr tun könnte. Mehr sozial interagieren, mehr auf Veranstaltungen rumturnen, sich mehr auf die Bildfläche schieben. Das würde der Blogreichweite sicher gut tun. Aber mir glaube ich nicht. Der Ansatz hier ist nämlich in den letzten Jahren unverändert geblieben. Der Blog ist irgendwie vor Allem privates Weintagebuch, ein erweiterter Teil meines Gedächtnisses, den ich selber als Nachschlagewerk und Referenz nutze, und dass das gleichzeitig öffentlich zugänglich ist, ist genausoviel Beiwerk wie Zweck. Ich kann entscheiden worüber ich schreibe. Ohne irgendeinen Hintergedanken. Ich kann Sachen, die ich cool finde in den Himmel loben und Sachen, die ich kacke finde einfach links liegen lassen. Das hier muss nicht mein Job sein, ich muss kein Geld damit verdienen, nicht irgendwo auf einer Landkarte auftauchen, ich muss nicht gelesen werden. Was es aber muss, ist Spaß machen. Und zwar mir und nur mir. Okay, der Mittrinkerin vielleicht auch noch, weil das Grummeln von Gegenüber die Verkostung deutlich bereichert. Aber sonst, sonst eigentlich niemandem. Und trotzdem freue ich mich über jede Rückmeldung tierisch und auch über jede Interaktion, die in den letzten Jahren hieraus entstanden ist. Denn das und die Erweiterung des eigenen Tellerrandes waren es mehr als Wert hiermit anzufangen. Und sie sind es Wert weiterzumachen.
Dass ich gerade ein bisschen auf dem Loire-Trip bin, ist nach den letzten Wochen auch kein großes Geheimnis. Diese beiden Flaschen sind mir ebenfalls auf der Perspektive Wein in die Hände gefallen. Pierre Gauthier und Familie machen auf etwa 20 Hektar, inzwischen mit Bio-Zertifizierung, Wein. Angebaut wird in der Appelation Bourgueil und damit auch bei den Gauthiers vor Allem Cabernet Franc. Und wenn man sich so durch die Weinwelt liest, dann wird gerade der Clos Nouveau des Weinguts in einem Atemzug mit den Weinen von Clos Rougeard und Co genannt. Viel beitragen kann ich nicht zu diesem Vergleich, da die Preise, die inzwischen für Clos Rougeard aufgerufen werden, weit außerhalb dessen sind, was ich für Wein zu Zahlen bereit bin und wir auch den Clos Nouveau nur kurz auf der Messe probiert haben. Und das ist für so einen Wein natürlich viel zu wenig Zeit und Inhalt im Glas. Wir steigen heute unten ein ins Sortiment mit dem Jour de Soif aus 2022. Der wächst an den jüngeren Reben des Weinguts und bleibt bis zum nächsten Frühjahr im Fass. Die Reben für den Les Marsaules, hier Jahrgang 2019, sind mit circa 70 Jahren deutlich älter, und er liegt mit 2 Jahren im gebrauchten Holzfass auch deutlich länger im Keller.
Der Jour de Soif hat ziemlich viel Frucht, ist ein bisschen wild in der Nase mit Vanille und Kirschen dahinter. Die Menge an Druck und Gerbstoff, die auf der Zunge landet kommt ein bisschen unerwartet, passt da aber eigentlich ganz gut hin. Überhaupt finde ich, dass der Wein so direkt nach dem Öffnen viel besser schmeckt als er riecht. In der Nase ist mir das gerade fast zu generisch Rotwein. Sicher, sehr guter Rotwein, aber eben irgendwie ohne Kontur. Bei dem, was da im Mund passiert, kann man aber schon früh abschätzen, dass das nicht lange so bleiben wird. Da ist Gerbstoff und viel Zug dahinter, etwas Eukalyptus und Kirsche. Und ob des ganzen Grips mag man gar nicht so recht glauben, dass da quasi Saufwein auf der Flasche steht.
Eine Nacht tut dem Wein richtig gut. Er wird fruchtiger, beeriger, dunkler. Da ist jetzt etwas Nuss im Duft und überhaupt macht es mehr Spaß die Nase ins Glas zu halten. Wo beim Trinken am ersten Abend in erster Linie Druck war, ist jetzt ebenfalls mehr Frucht angekommen. Das Tannin ist weicher und bleibt länger liegen. Der leicht generische Rotweingeruch ist komplett verschwunden. Ich finde, dass der Wein die Nacht an Luft gebraucht hat. Für mich liegen zwischen dem ersten Abend und jetzt Welten. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Wer eine Flasche hat, sollte sich aber allein aus edukatorischen Gründen einen Rest für den zweiten Abend aufbewahren.
Der Les Marsaules braucht nur eine Sekunde um klar zu machen, dass ein anderer Wind aus dem Glas weht. Mehr Blaubeere, mehr Würze und mehr Struktur. Und gleichzeitig ist der Wein feiner, ernsthafter und irgendwie kühler. Trotz den drei Jahren mehr Zeit wirkt er jünger beim Riechen. Und auch hier ist eine gute Portion Druck auf der Zunge. Der Gerbstoff ist reichlich vorhanden, aber irgendwo zwischen weich und der Art von Struppigkeit, wegen der ich Cabernet Franc gerade so gerne trinke. Ich bin direkt verleitet nochmal nachzubestellen um den Wein mit ein paar Jahren Reife nochmal probieren zu können. Er wird sowohl beim Riechen als auch beim Trinken immer würziger und auch gewürziger. Die Blaubeere wird immer mehr zu roten Beeren, die man pur nicht wirklich gerne essen möchte, Hagebutten oder diese Richtung eben. Der Wein wird widerspenstiger und entwickelt dabei aber immer mehr Spannung.
Und auch hier verändert die Nacht den Wein. Er wird komplexer, ätherischer und noch schwerer greifbar. Blaubeeren, Trockenpflaumen und Trockenkräuter. Nuss mit fruchtiger Süße und Balsaholz. Ich finde, dass die Weine, die am ersten Abend komplett unterschiedlich waren, sich etwas angenähert haben, sich ähnlicher anfühlen. Klar, man spürt, dass dieser hier eine Stufe drüber steht, aber trotzdem hat man ein Gefühl von Ähnlichkeit.
Beide Weine schaffen es mit einem kleinen Rest in Abend Nummer Drei. Wenn man samstags über die Streuobstwiese springt und Äste sägt, dann leidet Abends tatsächlich der Weindurst gewaltig. Man spürt zu viele Muskeln, von denen man nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. In diesem Fall ist das kein Problem, denn sowohl der Jour de Soif als auch der Les Marsaules legen nochmal eine Schippe drauf. Die Balance aus Frucht, Würze und Kräutern, aus Holz und Saftigkeit, aus Feinheit und Rustikalität, die ist einfach genial. Die ist zum Reinlegen gut und ich könnte mir keine besseren Weine für diesen Beitrag wünschen. Auf die nächsten fünf Jahre.