24.3.2024

Zwei Flaschen Jülg

Wir trinken aus dem Süden der Pfalz vom Weingut Jülg, je eine Flasche Schweigen Chardonnay 2022 und Spätburgunder 2021.

Reden ist zwar Silber und Schweigen Gold, aber wenn ich über diese beiden Flaschen Schweigen nicht rede, dann macht das ganze Ding hier ja keinen Sinn. Und nach dem Jubiläum letzte Woche ist das auch eine gute Gelgenheit das eigene Zeitgefühl ein bisschen zu kalibrieren. Bei Weingütern, deren Wein, oder in diesem Fall Sekt, ich schonmal hier verkostet habe, überlege ich mir immer, ob das denn nicht zu früh ist, schon wieder deren Wein auf den Tisch zu stellen. Und dann schaue ich nach und stelle fest, dass es in diesem Fall über vier Jahre her ist. Und in diesen vier Jahren ist einiges passiert. Pandemie zum Beispiel. Aber auch für das Weingut Jülg hat sich etwas verändert. Vom Flaschenhals schaut einem inzwischen der VDP Adler entgegen, denn 2021 wurde das Weingut im VDP.Pfalz aufgenommen. Folgerichtig sind sowohl der Chardonnay aus 2022 als auch der Spätburgunder aus 2021 als Schweigener Ortsweine klassifiziert. Woran sich glücklicherweise nichts geändert hat, ist die Tatsache, dass Schweigen-Rechtenbach so weit im Süden der Pfalz liegt, dass die Weinberge um den Ort zum Teil schon auf der französischen Seite der Grenze zu finden sind oder eben jene Grenze sogar mitten durch den Weinberg geht. Die Reben stehen hier auf Kalksteinböden und werden von Hand beerntet. Der Chardonnay wird teilweise im gebrauchten kleinen Barrique und teilweise im neuen großen Stückfass ausgebaut. Der Spätburgunder komplett im kleinen Holzfass. Da fällt mir auch direkt wieder ein, dass ich da unbedingt mal hin wollte. Denn von der hauseigenen Weinstube habe ich jetzt schon aus mehreren Richtungen nur Gutes gehört.

Der Chardonnay riecht ein bisschen nach Umami, etwas Rauch, etwas Erde und eine leichte Reduktion dabei. Mit Schwenken kommt dahinter gelbe Frucht und noch nicht ganz reife Trauben dazu. Frucht muss man in den ersten Momenten nach dem Ziehen des Korkens mehr suchen, als dass sie sich aufdrängen würde. Die Säure hat Zug, da ist leichte Cremigkeit und eine feine Struktur. Das ist zum einen noch enorm jung und gleichzeitig irgendwie deutlich frischer als man in einem warmen Jahr wie 2022 erwarten würde. Das ist aber nicht der erste Wein aus dem Jahrgang bei dem es mir so geht.

Das Umami-Rauchige verschwindet am zweiten Abend. Und ich muss sagen, dass ich dem ein bisschen hinterher weine, weil ich das ziemlich spannend fand. Jetzt ist da Streuobst, Quitte, Birne, gelber Apfel. Der Zug der Säure ist nicht verschwunden, die packt erst die Zungenmitte und dann die Lippen. Mir gefällt wirklich sehr wie frisch der Wein ist, wie fruchtig die Säure, wie gut sich das trinkt. Wenn sich doch nur ein bisschen Rauch vom ersten Abend über die Nacht gerettet hätte, das würde den Wein noch besser machen. Der kommt nämlich auch mit mehr Luft nicht zurück. Dafür meldet sich die Reduktion nach einem Schwenken wieder und tatsächlich gibt das noch so einen kleinen Schub nach Vorne.

Der Spätburgunder hat da mehr Frucht direkt nach dem Öffnen. Das riecht überhaupt wirklich schön und ist eine dieser Wohlfühlnasen. Dieser erste Schluck an diesem ersten Abend allerdings aus dem Gabrielglas. Die Abende vorher war Besuch im Haus und die Spülmaschine ist noch nicht hinterhergekommen, die üblichen Gläser wieder glänzen zu lassen. Oder zumindest sauber zu machen. Da ist Kirsche, da sind Beeren und ein Klumpen Dreck. Schon im ersten Glas wird mit jeder Umdrehung des Weines die Kirsche kirschiger samt Stein und Stielen. Der erste Schluck ist weich und täuscht darüber hinweg, wie sich dann langsam die Struktur und das Tannin auf der Zunge aufbauen und immer mehr Druck entwickeln.

Neuer Tag, übliches Glas. Im Wein hat sich nicht so viel getan, ehrlicherweise fast gar nichts. Da er am ersten Abend aber schon so komplett war, stört uns das auch nicht besonders. Ich mag wie sich der Wein anfühlt, das ist irgendwie heimelig, man will dazu Hausmannskost essen und in die Ferne schauen. Soweit das aus dem Fenster am Esstisch eben geht. Da ist Tiefe und Komplexität und gleichzeitig ist er unheimlich unkompliziert. Der Inhalt im Glas ist fast noch schneller verschwunden als beim Chardonnay. Die Frucht, der leichte Dreck, die Ätherik und der Zug ist einfach toll. Das ist ein Wein zum Essen, ein Wein zum auf der Couch sitzen und wenn man will auch ein Wein über den man reden kann. Schweigen ist eben nicht immer Gold. Aber ein echt guter Ort um Wein zu machen.

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