melsolo - Burlesque 2022
Wir trinken aus dem Süden Frankreichs eine Flasche Burlesque 2022 von Mélanie Kröber alias melsolo.
Verdammter Etikettentrinker murmel ich leise in Richtung Spiegel. Und überhaupt ist der Platz auf dem Schrank für Flaschen doch eigentlich voll. Aber was will man machen. Die Gemälde von Christina Prechtl, die Mélanie Kröber vorne auf die Flaschen ihrer Weine klebt, sehen einfach zu gut aus. Da müssen die anderen Flaschen wohl noch ein bisschen dichter zusammenrücken. Den Schrank wird es nicht stören, die Leichtglasflasche fällt da kaum ins Gewicht. Sprichwörtlich. 395 Gramm sagt das Rückenetikett und die aus Interesse gezückte Waage sagt sogar noch ein paar Gramm weniger. Das Etikett sagt auch noch, dass das gegenüber einer Flasche mit 580 Gramm etwa 350 Gramm Kohlendioxid einspart. Ich bin angefixt und wiege, was da sonst noch so rumsteht. 520 sind dabei, 640 sind dabei und die Schwerste bringt es sogar auf knapp über ein Kilo. Nein, das ist keine Magnum. Da wiegt dann die leere Flasche fast so viel, wie die volle Leichtglasflasche. Absoluter Wahnsinn. Für die Umwelt, für den Postboten und nicht zuletzt auch für mich selber, der den Kram ja mindestens zwei mal die Treppen entlang tragen muss. Ein Hurra auf die Leichtglasflasche also. Das Rückenetikett sagt aber noch mehr. Sieben Tage stand der Wein auf der Maische, Orange mal wieder, er wurde spontan vergoren und ohne Filtern oder zugesetzten Schwefel gefüllt.
Was es nicht verrät, ist, dass da Ondenc in der Flasche ist, zusammen mit einem kleinen Schuss Petite Manseng. Wem das auch nichts sagt: Ondenc ist eine autochthone Rebsorte aus dem Süden Frankreichs, ist da also schon lange zu finden. Ganz anders als Mélanie Kröber. Im Osten Deutschlands geboren ist sie über eine Karriere im Marketing in London gelandet. Dort hat sie angefangen Käse herzustellen um dann schließlich über den Käse und die immer mehr in Schwung kommende Naturweinbewegung beim Wein anzukommen. Mehrere internationale Stationen des Lernens später, wurde der erste eigene Jahrgang 2019 aus zugekauften Trauben im Gaillac im Süden Frankreichs auf die Flaschen gebracht. Irgendwie haben es ihr die alten Rebsorten von da und deren Erhalt angetan. Das ist gut, denn ich zumindest habe bis gerade eben noch nie etwas von Mauzac, Braucol, Loin de l’oeil oder eben Ondenc gehört gehabt und bin großer Fan davon, sowas im Glas zu haben. 2021 schließlich ergab sich die Möglichkeit etwas über 2 Hektar an Rebfläche vom Weingut Causse Marines zu übernehmen und Weine aus den eigenen Trauben zu produzieren. Damit ist das hier also gerade mal der zweite Jahrgang aus eigenen Weinbergen. Die Rebstöcke bewirtschaftet sie biologisch, die Weine stehen alle mal mehr oder mal weniger lang auf der Maische um Textur zu erhalten und werden anschließend in Fiberglastanks ausgebaut. Und natürlich, kein Filter und kein Schwefel.
Der Wein riecht deutlich weniger Orange als er aussieht. Da ist tonische Grapefruit und ein bisschen Rauch. Erst floral blumig, dann immer würziger. Das könnte blind so auch als Cocktail in einer hippen Speak-Easy Bar vor einem auf der Theke stehen. Und genau so trinkt sich der Wein dann auch. Da ist Rauch, da ist die leicht zitrische Frucht, ein kurzer Schuss Cremigkeit und dann Textur, Textur, Textur. Die Idee Ondenc auf dieser Basis irgendwo mal wiederzuerkennen verwerfe ich sofort wieder. Bei Orange ist das sowieso einigermaßen unmöglich und das obwohl ich den Strich auf der Skala von Weiß bis Orange eher bei Weiß setzen würde bei diesem Wein. Ist auch egal, weil lecker ist das, spannend ist das und trinken tut es sich ganz wundervoll. Da braucht kein Mensch irgendeine Skala.
Am zweiten Tag riecht es dann ähnlich Orange wie es aussieht. Da ist so viel mehr Textur und Würze jetzt in der Nase, immer noch der Rauch, Walnuss, Pfirsich, Kräuter und irgendwo auch ein paar Tropfen Klebstoff. Ich habe kurz Angst, was das wohl auf der Zunge veranstalten wird. Komplett unbegründet, weil entgegen aller Befürchtung ist das richtig schön. Kaum Gerbstoff, ein bisschen Fanta, Pfirsicheistee und eine ganz seltsame Art von Saftigkeit. Oft macht Säure das, was hier passiert. Dass einem das Wasser im Mund zusammen läuft, es die Backen so nach innen zieht und man leise vor sich hin schmatzt. Nur gibt es diese Säure hier irgendwie nicht. Vielleicht ist es ja doch das kleine bisschen Gerbstoff oder die Textur insgesamt, die eine ganz ähnliche Wirkung entfalten. Ich bin überfragt, aber es ist innerhalb kurzer Zeit schon der zweite Wein, der das macht. Das ist so unkompliziert im Glas, der erste Schluck könnte wirklich einfach Limo sein, dann kommt aber die Glebstoffnote oder der Grip und erinnert einen daran, was man gerade trinkt. Ich sage ja bei ziemlich vielen maischevergorenen Weißweinen, die hier so auftauchen, dass man die auch Orangeskeptikern auf den Tisch stellen kann. Vielleicht liegt das letztendlich daran, dass ich das selber erst dann so richtig gerne trinke. Hier haben wir auf jeden Fall schon wieder so einen Kandidaten dafür. Das ist so ein “Oh das Glas ist ja schon wieder leer”-Wein, über den man nachdenken kann, aber nicht unbedingt muss. Man kann das einfach trinken und viel Spaß an diesem Abend haben. Oder Nachmittag. Je nachdem, wann man halt anfängt.
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