16.6.2024

Zwei vergessene Flaschen Köhler-Ruprecht

Wir trinken zwei wiederentdeckte Flaschen vom Weingut Köhler-Ruprecht aus der Pfalz: Eine Riesling Auslese 2011 aus dem Kallstadter Saumagen und einen Spätburgunder aus 2007.

Indiana Jones jagt den verlorenen Schatz, ich manchmal die verlorenen Flaschen. Wobei, verloren und jagen trifft es nicht so richtig. Die Realität ist verwundertes aufs-Etikett-Starren, gepaart mit innerem Wühlen in der Erinnerung und die mentale Richtigstellung der Annahme, dass das ja schon lange getrunken sein müsste. Wie da ist noch eine Spätburgunder Spätlese 2007 von Köhler-Ruprecht. Die wollte ich doch direkt trinken. Tja, habe ich wohl nicht gemacht. Genausowenig wie die Auslese aus dem Kallstadter Saumagen aus 2011. Restsüß wohlgemerkt und nicht trocken, wie man es von Köhler-Ruprecht Weinen eigentlich erwarten würde. Wobei ich dieser Flasche keine besondere Dringlichkeit zuschreibe und die nur mitkommt, damit der Spätburgunder nicht so einsam ist. Das wird sich noch als guter Schachzug herausstellen. Ein bisschen weitere Archäologie in alten Emails später, stelle ich erstaunt fest, dass beide Flaschen als Kartonauffüller bei der Nachbestellung einiger noch älterer Philippi Weine gedient haben. In der letzten Woche war ich noch so glücklich ob der gut funktionierenden Erinnerung und jetzt das. So ist das manchmal. Wie schon angesprochen, kennt man Köhler-Ruprecht zwar schon für die Weine aus dem Kallstadter Saumagen, aber eigentlich in trocken. Und da ist von Kabinett bis zur Auslese (manchmal auch mit R oder RR) alles dabei. Das Weingut war ganz früh im VDP, beziehungsweise dessen Vorläufer, dem Verband deutscher Naturweinversteigerer dabei, um dann 2014 auszutreten. Eben wegen dieser Weine. Denn es sollte auch weiterhin mehr als einen trockenen Wein aus dem Kallstadter Saumagen bei Köhler-Ruprecht zu kaufen geben, abgestuft nach Prädikat, und genau das war mit den damals beschlossenen VDP Regelungen nicht mehr vereinbar. Als Kabinett und Spätlese sind die Weine ganz früh auch hier im Blog schonmal aufgetaucht. Die Flasche heute wäre bei der Verbandsdiskussion ganz problemlos gewesen mit ihren 60 Gramm Restzucker. Und der Spätburgunder hat überhaupt keine Angabe zum Weinberg auf dem Etikett.

Einer Flasche 2011er Auslese hatten wir relativ schnell nach dem Kauf schonmal im Glas und in meiner Erinnerung wirkte der Wein da deutlich süßer als er es jetzt tut. Aber Reife knabbert ja an der Wahrnehmung der Süße. Da ist Kernobst, ein leichter Stinker und dann immer mehr und mehr Cremigkeit in der Nase. Auf der Zunge dann genau die Süße, die ich noch im Kopf hatte. Da ist Honig, gemischt mit frischen Trauben und dann auch diese Cremigkeit, die von einem kleinen Bitterton am Gaumen abgestoppt wird. Und wie das so ist, wenn man einen Wein im Mund hatte, dann wandert das Aroma auch rückwärts wieder zurück in die Nase. Da ist Honigmelone, süße Hongimelone, Kräuter und viel Honig. Man merkt dem Wein schon an, dass er ein paar Jahre auf dem Buckel hat, aber dass es derer 13 sind hätte ich nicht vermutet. Es werden immer mehr Kräuter in der Nase und es kommt ordentlich Struktur dazu. Süß und Pfalz trinken wir relativ selten, meistens ist es doch Mosel. Und man merkt schon, dass das hier keine Mosel ist. Es fehlt die Schieferwürze, die Mineralik und irgendwie auch der oft viel kompromisslosere Zug, den auch Auslesen von der Mosel mitbringen können. Deshalb ist der Saumagen ein bisschen ungewohnt, aber keinesfalls weniger schön. Anders eben.

Und auch ein Tag später ändert sich daran nicht viel. Da sind Kräuter, gelbe Frucht und Cremigkeeit. Ich mag die Frucht total, die der Wein hat. Mango, gelbe Stachelbeeren aus dem eigenen Garten, die so viel süßer sind als die, die man kaufen kann und doch leider so rar, weil die Stachelbeersträucher den Standort hier nicht sonderlich zu mögen scheinen. Andere Geschichte. Und auch heute wird der Wein mit jedem Schluck kräuteriger und ätherischer. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Wein noch ein paar Jahre zulegt. Aber falls ihr mehr als einen haben solltet, dann ist jetzt auch ein guter Zeitpunkt mal auf die Suche nach einer der Flaschen zu gehen.

Der Spätburgunder hat einen schwereren Start. Die Farbe ruft einem wenig vertrauenswürdig nicht gerade Frische entgegen. Mehr Ocker als Rot scheint es aus dem Glas. Es riecht aber nicht alt. Überhaupt nicht. Da ist Kirsche, ein bisschen Erde und erstaunlich viel Frische und Klarheit. Erstmal nichts, das darauf schließen lassen würde, dass der Wein hier schon 17 Jahre keinen Rebstock mehr gesehen hat. Genau so ist auch der erste Schluck. Klar, viel Säurezug und dann Kirsche und Struktur. Die fängt dann langsam aber zu kratzen an. Und dann ist es, als würde jemand am falschen Holzstäbchen beim Jenga ziehen oder unten gegen das Kartenhaus schnippen. Es purzelt und fällt komplett in sich zusammen. Das nächste Glas ist zerquetschte, überreife Beere und ruppiges Holz. Klar, die Säure ist da immer noch, aber die Klarheit ist komplett verschwunden. Und es fühlt sich irgendwie auch nicht mehr richtig an. Das hatte ich so noch nie. Blitzalterung im Glas. So als hätte sich der Wein zusammengerissen, genau ein Glas lang, nur um dann unter der Sauerstofflast komplett zusammenzubrechen. Und es bleibt so. Nichts mit Auferstehung am zweiten Abend. Ostern ist schließlich auch schon etwas her. Struppig, dörres Obst, Pflaumen und viel Reife. Wie man sich müden Portwein vorstellt, nur ohne den Zucker. Normalerweise würde ich das unter “selber Schuld” verbuchen, einfach ignorieren und nicht schreiben. Aber weil das erste Glas, der erste Schluck, eben doch so gut war, darf er hier auftauchen. Und es ist ja auch noch ein bisschen Riesling da. Das versöhnt.

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