1.9.2024

Henrik Möbitz - Kanzel 2017

Wir schließen die kleine Runde durch Baden mit einem Spätburgunder Kanzel von Henrik Möbitz aus dem Jahr 2017.

Eine Flasche Wein aus der Lage Kanzel von Henrik Möbitz auf einem Holztisch. Im Hintergrund sind ein Weinglas und Bücherstapel zu sehen. Vor den Flaschen liegt der Korken der Flasche am Kellnermesser.

Endspurt ist angesagt in dieser kleinen Runde durch vier Flaschen Spätburgunder aus Baden. Und wie schon in der letzten Woche angekündigt, schlägt auch diese Flasche einen Bogen zu einem vorherigen Wein. Dieses mal ist es allerdings nicht der Winzer, sondern die Lage, die die Verbindung herstellt. Diese Kanzel aus dem Ehrenstetter Ölberg ist so etwas wie die Letzte ihrer Art, zumindest von Henrik Möbitz. Seit dem Jahrgang 2018 gibt es den Wein zwar noch und man kann ihn in Deutschland ausschließlich weiter bei Möbitz kaufen, gemacht wird er aber von Wasenhaus, die mit eben jenem Jahrgang die Parzellen übernommen haben. Nicht einmal ein Hektar sind es, die Kapelle, Köpfle und eben Kanzel im alten Ölberg über Ehrenstetten zusammenbringen. Garagenweingut liest man ständig als Bezeichnung für das, was Henrik Möbitz, neben seinem Beruf als promovierter Chemiker, hier betrieben hat. Winzig klein, nur im Nebenerwerb und trotzdem schwingt fast immer wenn der Name auftaucht große Ehrfurcht vor den Weinen mit. Und manchmal auch ein bisschen Frust. Zu jung, zu wenig Luft, überhaupt noch mindestens 5 Jahre müsse man das vergessen, vielleicht auch 10. Oder jemand war zu spät dran, drüber, müde, schwierig. Und dazwischen immer wieder Lobgesang. Das hilft nicht unbedingt bei der eigenen Entscheidungsfindung des idealen Zeitpunkts den Korken zu ziehen. Dass ich überhaupt in der Lage bin diesen Korken zu ziehen liegt mal wieder an meinem wirren Einkaufsverhalten. Die Familie der Mittrinkerin kommt aus exakt dieser Region direkt unterhalb des Ölbergs und ich bin zufällig ein paar Wochen vor dem Verkauf des letzten Jahrgangs darüber gestolpert, dass hier anscheinend ziemlich guter Pinot entsteht und habe mich einfach spontan in den Newsletter eingetragen. Kann man ja mal probieren. Und weil ich im Zweifel schnell auf Emails antworten kann, war ich in der Zuteilung weit genug vorne um jetzt diese Flasche vor mir auf dem Tisch stehen zu haben. Vor uns auf dem Tisch stehen zu haben. Zu allem Überfluss also auch noch sowas wie eine persönliche Verbindung zu diesem Wein. Das macht die Entscheidungsfindung noch schwieriger. Warten oder trinken. Zumindest bis das Kellnermesser im Korken verschwunden ist, weil auf ist auf wie man weiß.

Der Spätburgunder ist richtig dicht beim Riechen, irgendwie kompakt, eng zusammen. Da ist Würze und da ist ein paar Minuten lang auch ziemlich viel Nagellackentferner, der sich dann langsam verzieht. Da ist Holz und Frucht, aber einladend ist da erstmal nicht viel. Man muss ganz schön arbeiten um sich da durch zu riechen. Beim Trinken ist das anders. Das ist saftig mit viel frischer Kirsche und einer ordentlichen Portion Säurezug dahinter. Das hat richtig Kraft und endet mit einem eher struppeligen Tannin hinten raus. Lustig ist, dass das der winzige Rest im leeren Glas viel offener riecht als der Schluck Wein zuvor. Mehr Frucht, dunkler, Leder, altes Holz und kalter Rauch. Schenkt man nach, dann rennt man leider sofort wieder gegen eine Wand. Wir belassen es dabei und hoffen auf Tag zwei.

Und ehrlich, vielleicht hätten wir das schon ein Glas früher machen sollen. Weil der erste Abend mit dieser Flasche war zwar interessant, aber auch ziemlich anstrengend. Umso schöner ist das Glas jetzt. Gestern Raupe, heute Schmetterling oder so. Der Nagellackentferner ist komplett aus der Nase verschwunden. Da sind Kirschen, da ist Brombeerblatt und Würze. Ich würde den Wein weder als kühl noch als warm beschreiben und weil lauwarm dumm klingt lassen wir das einfach ganz. Das hat richtig Tiefe bekommen und ist gleichzeitig viel, viel offener geworden. Jetzt macht das Nase ins Glas halten direkt Spaß und nicht erst im leeren Glas. Saftig war der Wein ja schon, jetzt ist er noch saftiger. Da ist ganz viel Kirschsaft, feines, aber auch körniges Tannin und dahinter dann so eine Mischung aus Würze und Ringelblumenwundheilsalbe. Das beruhigt mich jetzt ein bisschen, weil ich doch Angst hatte, mir irgendwie einreden zu müssen, dass das aufgrund der persönlichen Gebietsbindung schon ganz lecker ist und ich aber ohne Beitrag dastehe und auch keinen Spaß hatte. Jetzt kann ich das gut finden weil ich das gut finde und beruhigt drüber schreiben. Und weil die eine Nacht so viel mit dem Wein gemacht hat, hängen wir noch eine Nacht hinten dran. Brauchen würde es die nicht, aber der Forscherdrang schlägt zu.

So wirklich passiert dann aber gar nichts mehr und wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich dem Wein so nicht mehr als 2 oder 3 Jahre Reife anheften. Saftig, jetzt doch eher kühl, mit feiner Frucht und toller Würze. Funktioniert übrigens ganz hervorragend zu Pasta mit roter Soße. Ich mag das gerne so, sehr gerne sogar und es ist ein mehr als würdiger Abschluss dieser Flaschen aus Baden. Was ich mir in so Momenten dann trotzdem immer denke, ist, was ich eigentlich davon halten würde, wenn so ein Wein im Restaurant vor mir steht. Im Ersten-Abend-Zustand kann das ja nur enttäuschen und ich weiß auch nicht wie nah eine Blitzbelüftung an eine Nacht mehr Zeit ran käme. Und reden wir nicht drum rum, so ein bisschen sperrig ist der Wein immer noch. Aber jetzt macht ihn genau das besser, am ersten Abend hätte es ihn kaputt gemacht. Es ist bei Wein immer so, dass genau diese Flasche, die man gerade trinkt, so nicht wiederkommt. Das macht auch den Reiz aus am Wein, diese Unwiederbringlichkeit, dass Zeit und Ort ganz wichtig sind. Aber bei dieser Flasche ist das noch ein bisschen finaler. Und irgendwie macht es das Erlebnis jetzt noch schöner.

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