Horst Sauer - Silvaner S Escherndorfer Lump 2020
Wir trinken eine Flasche Silvaner S. 2020 aus der Ersten Lage Escherndorfer Lump vom Weingut Horst Sauer.
Die verbliebenen Bocksbeutel in meinem Weinbestand kann ich vermutlich inzwischen an einer Hand abzählen. Das liegt daran, dass ich zu wenig Silvaner kaufe, aber auch daran, dass gefühlt immer weniger Bocksbeutel gefüllt wird. Eine Statistik um das zu untermauern habe ich aber nicht zur Hand und gerade auch nicht die Muße zur Recherche. Ich mag den Bocksbeutel aus rein praktischen Gründen sowieso nicht besonders. Es bleibt immer der Eindruck, dass er ein bisschen mehr Platz einnimmt als er eigentlich sollte. In der Kühlschranktür, im Kühlschrankfach, im Regal. Und vielleicht ist es dann gerade diese Unangepasstheit, das etwas Schroffe der Flasche selber, die mich dann doch jedes mal wieder grinsen lässt, wenn denn ein Bocksbeutel auf dem Tisch steht. Und er hat ja auch Vorteile. Er rollt nicht weg im Liegen und beim Einschenken fasst es sich viel besser als eine langweilige Schlegelflasche. Im Weingut Horst Sauer werden Weine in beide Flaschenformen gefüllt. In und um Escherndorf, unweit der Mainschleife bei Volkach gelegen, bewirtschaftet Familie Sauer etwa 20 Hektar Fläche. Und sie sind nicht die einzigen Sauers im Ort, deshalb Augen auf beim Weinkauf, sonst landet eventuell ein anderes Weingut im Einkaufswagen. Aber wer an der Mosel Wein kauft, der lässt sich von identischen Nachnamen beim Weinkauf nur schwer aus der Ruhe bringen. Direkt oberhalb des Ortes liegt die Lage Escherndorfer Lump, aus der sowohl Grosse Gewächse als auch Erste Lagen gekeltert werden. Die Reben stehen hier auf Muschelkalk und genießen ihren Mainblick mal etwas mehr, mal etwas weniger direkt gen Süden, so wie der Fluss eben gerade verläuft, bevor er dann bei Volkach seine 180 Grad Wendung macht. Ich habe mir übrigens auch sagen lassen, dass der WoMo Stellplatz für den weinliebenden WoMo-Rentner, direkt gegenüber, am anderen Ufer der Fähre, ganz toll sein soll. Ich campe nicht, deshalb nur hörensagen. Nordheim ist aber wirklich schön, auch für Nicht-Camper. Der Silvaner S aus 2020 wird als Erste Lage vermarktet und stammt von etwa 35 Jahre alten Reben. Vergoren und ausgebaut, mit einer kurzen Maischestandzeit, wird im Edelstahltank. Wer den aktuellen Jahrgang nachkaufen will, muss auf das S im Namen verzichten, denn inzwischen heißt der Wein nur noch Silvaner Escherndorfer Lump.
Der Silvaner riecht gleichzeitig frisch und reif. Da ist gelbe Frucht, etwas Apfelsaft mit Hopfen (was ich sehr, sehr mag), etwas Ananas und viel Birne. Und genau gleich trinkt sich der Wein auch. Die Menge an Zug und Säure hatte ich nicht auf dem Schirm bei der Nase. Da ist Stein und richtig Kraft dahinter und gleichzeitig die komplette Portion Birne aus der Nase, die sich auf der Zungenmitte saftig breit macht und dann einfach liegen bleibt. Und liegen bleibt. Und liegen bleibt. Einen kurzen Moment lang direkt nach dem Aufschrauben dachte ich, dass der Wein schon ziemlich weit ist. Aber mit dem ersten Schluck im Mund verfliegt dieser Eindruck sofort. Weil das in der Nase schon so reif wirkt und dann am Gaumen so unglaublich frisch, bin ich wirklich gespannt wie das reift. Glücklicherweise haben wir uns zwei Flaschen mitbringen lassen, so dass ich in diesem Fall tatsächlich rausfinden kann, wie das denn weiter geht. Und dank Schraubverschluss blicke ich den nächsten Jahren ganz entspannt entgegen. Wiedervorlage in so drei Jahren denke ich.
Auf den zweiten Abend bin ich aus diesem Grund schon sehr gespannt. Ich prognostiziere ja immer, dass die Entwicklung im Kleinen, also die über mehrere Tage, die der Wein hier verbringt, der Entwicklung im Großen, also über Jahre in der Flasche, vorweg greift. Die Gelegenheiten, in denen ich das aber wirklich nachvollziehen kann, sind rar und das hier wird eine davon sein. Ein Grund für den Blog und ein Grund dafür, dass dieser Wein heute hier auftaucht. Eine Stichprobe mehr fürs eigene Reifebeobachtungslogbuch. Da ist inzwischen Eisbonbon im Wein. Ganz wenig zum Glück, weil ich mag das nicht so richtig. Dahinter dann wieder eine Mischung aus ganz viel reifem Kernobst, Ananas und Würze. Und es schmeckt immer noch wie es riecht. Erst kurz Eisbonbon, dann Birne und dann ein kräuteriges Finale voller Würze. Ich mag das sehr gerne. Auch, dass es mit ganz viel Luft anfängt hinten raus leicht cremig zu werden. Mit jedem Schwenken etwas mehr. Diese Weine erklären mir auch immer ziemlich direkt, dass ich viel mehr Silvaner trinken müsste. Aus Franken und auch von woanders her. Das fällt immer so ein bisschen unter den Tisch und das ist Schade. Ich gelobe Besserung.