Zwei Flaschen Bernhard
Wir trinken vom Weingut Bernhard aus Rheinhessen eine Flasche Chardonnay Limited Edition aus 2022 und einen Wolfsheimer Silvaner vom Kalkmergel aus 2021.
Es heißt zwar, dass der frühe Vogel den Wurm fängt, besonders früh muss er dafür bei der Maxime Open jedoch nicht aufstehen. Und vermutlich haben auch spätere Vögel die Station in Schwabsburg nicht mit leeren Gläsern verlassen müssen, so menschenleer wie kurz nach 11 war es aber garantiert nicht mehr. Um das gleich abzuhandeln, ich hatte keine Ahnung wo Wolfsheim liegt und dementsprechen hatte ich auch keine Ahnung, dass da Wein gemacht wird. Und ehrlicherweise sind Wolfsheimer Sankt Kathrin, Götzenborn und Osterberg auch keine Weinlagen, die mich innerlich erzittern lassen. Ein Blick auf die Lagenkarte ist da zur geographischen Orientierung tatsächlich sehr hilfreich. Martina Bernhard, die hinter dem Tresen in Schwabsburg stand, betreibt zusammen mit ihrem Vater Jörg das Weingut Bernhard eben dort in Wolfsheim. Das Erste, was wir auf unserer Seite des Tisches sagen, noch bevor wir einen Wein im Glas haben, ist, wie schick die Etiketten mit den wolkigen Farbklecksen doch sind. Und das sind sie immer noch. Das Nächste was wir sagen, ist dann wie gut uns die Weine gefallen. Perfekt für die Nachlese jetzt. Den Chardonnay 2022 sollte es eigentlich überhaupt nicht geben, da diese Partien normalerweise in einer Cuvée verschwinden. Das wollte nicht so richtig passen, der Wein hat sich in seinem Jahr auf der Vollhefe aber viel zu gut entwickelt. Also wurde diese limitierte Edition ins Leben gerufen. Außerdem trinken wir noch einen Silvaner Ortswein aus den Wolfsheimer Lagen. Die Ortsweine werden spontan vergoren, die Weinberge allesamt biodynamisch bewirtschaftet. Der Silvaner liegt dann bevor er auf die Flasche kommt 7 Monate auf der Hefe im Stückfass.
Wir starten aber mit dem Chardonnay. Der riecht frisch nach eher gelbem Kernobst. Und genau so frisch wie der Wein riecht, trinkt er sich auch. Dazu hat er eine echt schöne Struktur. Klar, die große Tiefe wird man nicht finden, aber wer sucht die auch in einem Wein für deutlich unter 10 Euro. Eben. Eigentlich ist das ein totales Schnäppchen und ich kann nicht verstehen, warum der Wein limitiert gefüllt wird und nicht einfach jedes Jahr in der Flasche landet. Ich mag das nämlich wirklich gerne. Im Innenhof in Schwabsburg und am Esstisch daheim. Das leere Glas riecht dann ein bisschen nach gezuckertem Popcorn und man muss wirklich aufpassen, dass man überhaupt noch einen zweiten Tag mit der Flasche zusammen bekommt.
Und genau dieser zweite Abend ist dann exakt wie der Erste. Da ist Energie und Zug im Glas und die Mischung aus Säure, Frische, Struktur und minimaler Cremigkeit hinten raus ist einfach gut.
Tatsächlich war der Silvaner zum persönlichen Vergnügen gedacht und ich wollte zum Chardonnay Spätburgunder probieren. Der Korken hatte aber andere Pläne und es war der korkigste Korken, den ich je gerochen habe. Passiert. Aber zumindest auf der edukatorischen Seite konnte ich wieder was dazu lernen. In der Vergangenheit hat der korkende Wein jeweils viel krasser nach Korkschmecker gerochen als der Korken selber. Hier war das genau umgekehrt. Ich dachte sogar noch für ein paar Minuten, dass das ja gar nicht so schlimm sei und man da vielleicht drum rum trinken kann. Konnte man nicht. Es hat so eine halbe Stunde gedauert, dann war auch der Wein komplett nasse Kellerpappe. Baumrinde macht Baumrindendinge und so kommt der Silvaner zu seinem Platz im Rampenlicht.
Der ist in der Frucht viel, viel reifer als der Chardonnay. Da ist Heu, etwas Kräuteriges und eben die relativ reif wirkende, aber irgendwie nicht so richtig zuzuordnende Frucht. Das klingt nicht so wirklich einladend, aber ich bekomme die Nase nicht aus dem Glas. Das ist irgendwo ziemlich faszinierend. Beim Trinken ist der Wein glasklar und strukturiert. Da ist Orange, etwas Grapefruitbitter und mit dem Geschmack im Mund schafft die exotische Note auch den retronasalen Sprung in die Nase. Und der Wein wird mit Luft noch spannender, tiefer, komplexer und entschädigt ausreichend für die fehlende Flasche Spätburgunder. Wir haben schon gegessen, aber ich kann mir vorstellen, dass der Wein auch ein super Essensbegleiter zum Vesper sein könnte.
Die Frucht wird klarer über Nacht und noch eine Spur gelber. Da ist Mango, etwas Holzwürze und noch immer das Heu. Neben dem echt richtig knackigen Chardonnay tut sich der Silvaner ein bisschen schwer die Spannung hochzuhalten. Also nacheinander trinken und der Zunge Zeit geben, sich auf das Weniger an Säure einzustellen. Da ist das Weiße aus Zitrusfrüchten, da ist Orange und ein bisschen Yuzu, aber eben ohne den Säurekick. Das ist wirklich sehr schön und ich bin froh in Rheinhessen über das Weingut gestolpert zu sein.