Zwei Flaschen Beurer
Wir trinken vom Weingut Beurer aus dem Remstal einen Trollinger und einen Riesling Schilfsandstein, beide aus dem Jahr 2022.
Wenn es um fünf vor dem Fenster wieder dunkel ist und der Abreißkalender immer dünner wird, dann bleiben nicht mehr allzuviele Tage im Jahr. Zeit ein bisschen aufzuarbeiten, was uns im Jahr so über den Weg gelaufen ist und mental auf der schnellen Wiedervorlageliste notiert wurde. Das werden vor allem rheinhessische Weine, aber starten will ich mit ein bisschen Heimat. Mitten im Hochsommer lud die zweite Ausgabe des Stuttgarter Landweintreff in den alten Landtag der Landeshauptstadt ein. Die vielleicht einzige Weinmesse der Welt, die ich allein wegen des Merchandise weiterempfehlen würde. Denn ein schwäbischer Vierteleschlotzer, der etwas auf sich hält, der braucht eine Einkaufstasche mit glücklich grünem Henkelglas. Macht das Leben lebenswerter, glaubt mir. Die Auswahl der Weingüter vor Ort ist natürlich mindestens ebenbürtig. Jetzt wo ich so darüber nachdenke, da ist es irgendwie lustig, dass ich ausgerechnet den einzigen VDP Betrieb (ich glaube zumindest, dass es der Einzige war) aus dem Lineup zwischen Underdogs und Hypeproduzenten dafür nutze diese Messe zu erwähnen. Der geübte Online-Geschichtenerzähler hätte das wohl anders aufgezogen. Wer die Flaschen auf dem Bild auch mal von hinten zu Gesicht bekommt, der wird jedoch bestätigen können, dass Landwein und VDP sich nicht widersprechen müssen. Eine Tatsache, die spätestens mit der Aufnahme von Odinstal in den pfälzer Verbund dann auch überall angekommen sein dürfte. Der Trollinger hier ist, ebenfalls laut Rückenetikett, eine Sonderabfüllung für die Weinhalle, aber ich verspreche, dass er exakt so auch auf der Messe geschmeckt hat. Zumindest in meiner Erinnerung. Die Reben für den Wein stehen im Remstal, werden offen auf der Maische vergoren und dann für zehn Monate im gebrauchten Holz ausgebaut bevor es mit gerade mal knapp über 10% Alkohol auf die Flasche geht. Der Schilfsandstein ist hier im Blog Wiederholungstäter. Die Reben wachsen auf Schilfsandstein, der Name lässt es erahnen. Der Riesling wird im Edelstahl vergoren und ausgebaut.
Der Trollinger stinkt nach dem Aufschrauben erstmal fröhlich vor sich hin. Das braucht entweder eine richtige Portion Luft oder man trinkt es einfach direkt zum Essen, so wie wir das heute machen. Entgegen eines ausgebuffteren Storytellings habe ich auf der Speisenbegleitungsfront nämlich vorgeplant und der geneigte Leser weiß schon was das bedeutet. Linsen nämlich. Mit Saiten und Spätzle. Und wie erwartet, ist das nichts weniger als großartig miteinander. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass der Wein auch genau für sowas gemacht wurde. Als Vesperwein, ob kalt oder warm, kann jeder selbst entscheiden. Sowohl beim Vesper als auch beim Trollinger. Der schmeckt auch gekühlt.
Nach dem Essen ist Marzipan im Aroma, rote Beeren und ein paar Kräuter. Da ist Zug dahinter, viel Frische und ein leicht ungestümer Gerbstoff. Nicht super komplex, überhaupt nicht langweilig. Wie gesagt, esst was dazu, vorzugsweise Linsen. Das macht das Essen besser und den Wein.
Der Stinker ist am zweiten Abend verschwunden. Und tatsächlich, auch Solo macht das richtig Spaß. Deutscher Poulsard wird da ja gerne mal in den Raum geworfen, wenn so ein Trollinger eingeschenkt wird. Und so ganz verkehrt ist das nicht. Wer seine Vorturteile überwinden kann, der kann hier wirklich Freude haben. Die Frische, die Kirschfrucht, der Säurezug und das leicht rustikale aber nicht anstrengende Tannin. Das hat schon was. Die Mittrinkerin murmelt Hibiskus-Apfel-Früchtetee und auch da bin ich dabei. Ich mag das sehr.
Der Riesling startet wirklich saftig. Schon beim Riechen. Da ist viel Mirabelle, Apfel und Kräuter. Strahlend und klar und genau wie der Wein riecht, so schmeckt er dann auch. Mir gefällt die Struktur, die ist irgendwie besonders. Über die Jahre haben wir immer wieder einen Schilfsandstein im Glas gehabt und, nicht dass ich behaupten würde den Wein blind zu erkennen, niemals, aber wenn ich das dann im Mund habe, dann denke ich mir jedes mal, ja, das ist Beurer Schilfsandstein. Diese leicht karge Mineralik in der Zungenmitte, die Länge, die Art wie es sich anfühlt auf der Zunge, die ist eben irgendwie besonders. Und so richtig rund wird es dann durch die Frucht, die hinten raus die Kargheit ablöst.
Anders als der Trollinger verändert sich der Riesling über Nacht praktisch nicht. Die einzelnen Elemente verschmelzen höchstens noch einen Touch mehr. Die Klarheit und das Strahlen brauchen auch keine Weiterentwicklung, das ist einfach schön so und wird es ganz sicher auch noch einige Jahre bleiben. Ein Grund mal seine Zehenspitzen in schwäbisches Rieslingwasser zu tunken. Die um die 15 Euro sind gut investiertes Entdeckerbudget und wenn man sowieso schon einen Versandkarton aufmacht, es gibt ja noch den Trollinger. Und wer dann richtig angefixt ist auf die beste Weinregion der Republik, der kann dann Berge trinken. Oder auf Landweinentdeckungstour gehen. Es wird nicht das einzige Weingut der Messe hier bleiben. Versprochen.