Sottimano - Cottá Barbaresco 2016
Im Anflug auf Weihnachten trinken wir eine Flasche Barbaresco Cottá 2016 von Sottimano aus dem Piemont.
Es geht mit großen Schritten gen Weihnachten, draußen ist es kalt und es wird quasi direkt nachdem es hell wurde auch wieder dunkel. Und es gibt sie, die Weine, die jetzt besonders gut funktionieren und die man eher nicht bei 40 Grad unterm Dach aufziehen möchte. Das hier ist so ein Wein, oder zumindest hoffe ich, dass es so einer sein wird. Barbaresco ist im Piemont im Nordwesten Italiens zu Hause und wird komplett aus Nebbiolo gekeltert. Genau wie Barolo, nur liegen die Weinberge etwas tiefer, das Mikroklima ist anders und die Böden auch. Und so wird Barbaresco im Allgemeinen nachgesagt, dass er etwas leichter, verspielter, tanninärmer und zugänglicher ist als der Barolo. Wie richtig das ist, weiß ich nicht, das hier ist die erste Flasche Barbaresco, die ich je getrunken haben werde. Und auch nach einer Stichprobengröße von Eins werde ich mich deshalb nicht zu irgendwelchen allgemeingültig klingenden Aussagen hinreisen lassen. Ganz ähnlich wie Barolo ist nämlich auch Barbaresco nicht ganz günstig und diese Einzelflasche ist einer dieser 40%-Rabatt-Freiheit-räumt-das-Lager-Käufe. Sonst stünde sie wohl eher nicht hier auf dem Tisch vor mir. Sottimano erwarb in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die ersten eigenen Weinberge in der Lage Cottá, die Weinberge aus denen auch die Trauben für diese Flasche kommen. Seit den Neunzigern wird auf Kunstdünger und chemisch-synthetische Spritzmittel verzichtet, spontan vergoren werden die Weine sogar schon von ganz zu Anfang an. Der Wein liegt nach der Gärung und Mazeration für ein Jahr auf der Hefe und reift dann nochmal mindestens ein Jahr in kleinen gebrauchten Fässern.
Direkt nach dem Korkenziehen wirkt der Wein körnig und ruppig. Und zwar in der Nase und im Mund. Das beruhigt sich mit Luft dann langsam, aber der Wein ist jung. Habe ich ehrlicherweise auch erwartet, man liest ja häufig, dass größere Weine aus Nebbiolo erstmal für Jahrzehnte weg gelegt werden sollten und das hier offensichtlich nicht passiert ist. Die Neugier. Aber wir haben Zeit und Luft ist hier auch genug im Raum. Der Wein ist wirklich intensiv, da ist rote und schöne Frucht, die aber direkt von einer noch größeren Portion Ätherik auf die Seite gedrückt wird. In manchen Momenten erinnert das mehr an Erkältungsbad als an Rotwein. Eukylaptus, Menthol, diese Richtung. Und dahinter folgt dann Vanille. Je öfter man aber seine Nase ins Glas hält, desto mehr nimmt einen die Frucht gefangen. Man will wieder und wieder riechen und jedes mal ist es leicht anders, mehr Kirsche hier, mehr Beeren da, mal ein bisschen süßer, mal würziger. Immer schön. Beim Trinken ist da ordentlich Widerstand im Wein. Das Tannin beschränkt sich nicht auf die Zunge, es hängt sich auch ans Zahnfleisch und an den Gaumen, eigentlich überall hin. Aber es wirkt nicht mehr so grobkörnig wie beim ersten Schluck, es ist viel feiner geworden. Und dann kommt saftige Säure und auch hier diese ätherische Frische, bevor der Gerbstoff dann doch wieder die Oberhand gewinnt und die Zunge trocknet. Es braucht nicht viel Fantasie um zu erkennen, dass das ziemlich groß ist, was man da im Glas hat. Und eben doch auch ziemlich jung.
Der Wein wird leiser über Nacht. Da ist Bienenwachs, dunkle Kirsche, hellere Beeren, Holz und Leder. Die Vanille ist deutlich leiser, die Ätherik fast komplett verschwunden. Kurz denke ich auch, dass der Gerbstoff ja gar nicht mehr so zupackt und die Säure die Führung übernommen hat. Die nächsten Schlucke korrigieren diese Idee dann aber schnell und das Tannin baut sich wieder sein Zuhause auf der Zunge. Trotzdem verliert er eben nie die Frische und es wird nie anstrengend oder unangenehm. Ich habe zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass der Wein zu jung sein könnte oder bereue das Öffnen. Kein Easy Drinking, aber auf jeden Fall eine tolle Erfahrung. Wer mehr Geduld hat als ich, der wird vielleicht in 5 oder in 10 Jahren noch eine Portion mehr Spaß haben. Traurig macht mich das nicht. Diese enorme Komplexität, die Veränderung bei jedem Riechen, die ist auch am zweiten Abend unverändert. Da ist Cassis, etwas Rauch, erdige Würze und das Holz. Immer noch bringt jede Minute an der Luft den Wein einen Schritt weiter in seiner Entwicklung und macht irgendwo eine andere Türe im Aroma auf. Und immer noch braucht man wirklich Zeit um sich durch diese Tiefe durchzuriechen.
Zwei kleine Gläser voll schaffen es aus Interesse in einen dritten Abend. Die Entwicklung hat sich auch da weiter fortgesetzt. Weniger Frucht jetzt, erdiger, bodenständiger und vielleicht jetzt wirklich auch weicher. Der Wein wird viele, viele Jahre vor sich haben. Wer aber mehr als eine Flasche und ein paar Abende Zeit hat oder wer einfach ähnlich ungeduldig ist wie ich, der wird auch jetzt viel Freude an der Flasche haben. Das ist eine dieser Flaschen, die lange im Kopf bleiben, eine dieser besonderen Flaschen und tatsächlich der perfekte Wein für dunkle, kalte Abende am Jahresende. Es gibt nicht genug Lagerräumungen, als dass ich mir einen Vorrat davon anlegen wollen würde und auch dann ist es ja immer noch kein günstiger Wein. Aber wenn das Glas so vor einem steht, dann kann man die Faszination dieser Weine nachvollziehen und spielt doch schneller als einem lieb ist mit dem Gedanken, doch noch tiefer ins Piemont einzusteigen. Fürs Erste bleibt es aber beim Hirngespinst.