Zwei Flaschen Grandbois
Wir trinken von der Mosel eine Flasche Chardonnay Unicorn Knight 2023 und einen Saignée Heart PetNat M 2023 von Grandbois.

Es gibt sie, die Orte, die sich im Kopf einbrennen. Die wunderschönen Flecken Erde, bei denen man sich nie ganz sicher sein kann, ob einem die Erinnerung nicht einen Streich spielt, oder es wirklich so schön war da. Um dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen reicht dann oft ein Blick ins Bilderarchiv und ja, die Schaukel vor dem Kabinettstand und das Pastrami-Sandwich sind ziemlich exakt so toll wie in meinem Kopf. Und auch der malerische Weg durchs verschlafene Maring kann mit der Erinnerung mithalten. Es war ein Stück zu gehen von der Bushaltestelle bei Mythos Mosel 2023 bis zum Innehof mit den Verkostungsstationen und dem Kabinett-Stand direkt am Maare-Mosel-Radweg an der Lieser, aber es war jeden Schritt wert. Philippe und Tanja Grandbois lernten sich 2014 in Kanada kennen und sind 2018 in Maring-Noviand in einem Seitental der Mosel gelandet. Die erste Weinlese war dann 2021 und 2023 sind wir dem Weingut dann über den Weg gelaufen. Wortwörtlich. Die Beiden bewirtschaften ihre Weinberge ökologisch und mit viel Handarbeit in den Steillagen. Alle Weine werden spontan vergoren und mit der nötigen Geduld ausgebaut. Den Saignée Pinot Noir PetNat gibt es inzwischen in einer Variante N, aus dem Noviander Klosterberg, und einer Variante M, aus der Maringer Sonnenuhr, die wir heute probieren. Die Trauben stammen aus einer kleinen Parzelle in der Nähe des Weinguts, werden im Edelstahl vergoren und dann mit etwas Restzucker auf die Flaschen gefüllt, wo die Hefe ihre Arbeit abschließen kann. Der Wein liegt dann noch ein halbes Jahr auf der vollen Hefe in der Flasche bevor er in den Verkauf kommt. Der Chardonnay wächst im Honigberg, nur wenig weiter entfernt. Er wächst ebenfalls in einer kleinen Parzelle, die je nach Jahr eine Produktion von 450 bis 600 Litern zulässt. Er wird im kleinen, gebrauchten Holz vergoren und darin dann auch ausgebaut. Und wenn man das Etikett anschaut, wissen wir alle ganz genau, warum genau diese Flasche hier auftaucht. Ein Kandidat für den Schöne-Flaschen-Schrank.
Wir starten mit dem Einhorn. Das riecht nach gepufftem Getreide und etwas gelber Frucht. Tatsächlich mehr Getreide als gepufft. Das ist schon sehr kernig in der Nase mit einer guten Portion Funk dazwischen. Wenn man wirklich lange einatmet, dann wird es für mich doch ziemlich flüchtig. Aber ihr wisst ja, ich bin da sehr empfindlich. Die Mittrinkerin riecht nichts in diese Richtung. Der Chardonnay ist viel mehr herzhaft als fruchtig beim Riechen. Spannend. Es trinkt sich dann sehr sauber, klar und null wild. Da ist etwas Fruchtmus oben am Gaumen, auf der Zungenspitze Struktur und hinten weg eine Säure, die an Multivitaminsaft erinnert. Mag ich, würde ich aber noch mehr mögen, wäre da der Eindruck von flüchtiger Säure nicht.
Und ich habe Glück. Genau diese Portion Funk verschwindet nämlich über Nacht. Ich kann schon nachvollziehen, dass so ein kleines bisschen dieser Art von Funk auch Spannung in den Wein bringt, aber ich bin halt empfindlich und ohne gefällt mir persönlich einfach besser. Gegenüber am Tisch ist das ganz anders. Das Popcorn ist ein bisschen weniger Popcorn heute, die Frucht etwas fruchtiger, alles ist mehr zusammengerückt und harmonischer, sanfter. Es überwiegen weiter Würze und Getreide die Frucht beim Riechen, um dann von Saftigkeit und Frische davon gespült zu werden. Der Multivitaminsaft ist da immer noch, es ist eher orange als gelb in der Säure und ziemlich anschmiegsam. Auch zum Essen, denn neben einer Lauch-Quiche funktioniert der Wein ganz wunderbar.
Der PetNat, das weiß ich schon beim Kronkorkenköpfen, wird keine zwei Tage überleben. Er riecht ganz kurz fast ausschließlich nach diesen hellroten Kirschbonbons. Dann wird es immer würziger und kräuteriger und mit einer halben Stunde Luft ist er das, was viele kräuterbasierte alkoholfreie Alternativen gerne wären. Furztrocken auf der Zunge, kräuterig würzig und die Kirsche jetzt irgendwo zwischen vollreif und künstlich. Das trinkt sich unglaublich schön. Hat erdige Noten, eine total frische Säure, etwas Brausepulver in der Zungenmitte und drum herum ein Touch Erkältungstee. Und irgendwo dazwischen Karamell und Rauch. Verrückt, weil das deckt sich komplett sowohl mit meiner Erinnerung als auch mit den Notizen von vor zwei Jahren. Punktlandung quasi. Mit einem nicht zu vernachlässigenden Manko, denn eine Lauch-Quiche ist kein Pastrami-Sandwich. Und mangels Smoker vor der Haustüre wird sie das auch nie werden. Und trotzdem schmeckt der PetNat mindestens genauso gut wie damals im Urlaub und das ist vielleicht die größte Auszeichnung, die sich so ein Blubber wünschen kann.