2.3.2025

Zwei Flaschen Martin Müllen

Zum Abschluss dieser Runde Rieslinge zieht es uns nochmal an die Mosel. Wir trinken von Martin Müllen je eine Spätlese mit zwei Sternen aus dem Kröver Paradies und aus dem Kröver Letterlay. Beide 2017.

Auf einem Holztisch stehen zwei Flaschen Wein vom Weingut Martin Müllen. Eine Riesling Spätlese aus dem Kröver Paradies, eine Spätlese aus dem Kröver Letterlay. Die Etiketten zeigen eine Karte der Mosel. Im Hintergrund sind ein Weinglas und ein Bücherstapel zu sehen.

Die kleine Runde durch einen Satz angereifte Rieslinge beenden wir da, wo wir sie begonnen haben, an der Mosel. Diese Woche allerdings ein paar Moselschleifen weiter Richtung Koblenz, nämlich rund um Kröv. Wenn man sich das Bild über dem Artikel ganz genau anschaut, dann kann man relativ weit links im Etikett zwei kleine goldene Flecken erkennen. Im echten Leben und bei Gegenlicht fällt es deutlich einfacher diese Flecken zu finden und damit den Weinberg in dem die Trauben des Flascheninhalts gewachsen sind. Wie schon gesagt, in diesem Fall ist das rund um Kröv. Einer der beiden Weine wächst nördlich des Flusses im Kröver Letterlay mit Blick gen Süden. Die andere Flasche kommt von mehr oder weniger direkt Gegenüber, so sehr Gegenüber da in einer Flussschleife eben funktioniert, aus dem Kröver Paradies und einem Gewann, das dem Weingut alleine gehört, hier mit Westausrichtung. Auf Schiefer stehen die Reben für beide Weine. Beide Rieslinge sind als Spätlese klassifiziert und trocken ausgebaut. Wenn Spätlese auf der Flasche steht, dann müssen die Trauben ein bestimmtes Mostgewicht, also Zuckeranteil haben und es darf nicht chaptalisiert, also Zucker zugegeben werden. Das war früher freilich viel einschränkender als es das heutzutage, im Zuge des Klimawandels, geworden ist.

Gekeltert wurden beide Weine von Martin Müllen, den wir ganz, ganz früh schonmal mit einer Flasche hier im Blog hatten. Anders als bei vielen anderen Winzern kann man bei den Müllens auch ab Hof eine gigantische Bandbreite an schon wirklich gereiften Rieslingen kaufen bis zurück in die 90er Jahre. Und auch sonst ist die Bandbreite groß, von Kabi bis Trockenbeerenauslese ist alles vertreten und oft noch mit einem, zwei oder drei Sternen abgestuft. Und Kabi bis Auslese gibt es dann auch noch von trocken bis süß. Ich kann mir vorstellen, dass das in der Vermarktung eine große Herausforderung ist. Unsere beiden Flaschen heute haben übrigens zwei Sterne. Die Trauben wachsen in den steilen Schieferhängen an Einzelpfählen, wie es früher an der Mosel gehandhabt wurde. Sie werden von Hand gelesen, eingemaischt und anschließend mit einer Korbpresse gepresst. Es wird spontan in Holz vergoren und ausgebaut bevor der Wein dann vielleicht für viele, viele Jahre in der Flasche verschwindet.

Wir starten mit der Spätlese aus dem Paradies. Da ist gelbe Frucht, Pfirsich, Mirabelle und eine leichte Reife. Sowohl in der Frucht als auch im Wein selber. Da ist so was Buttriges in der Nase, das sich ziemlich sicher erst mit den schon vergangenen Jahren entwickelt hat. Und auf der Zunge macht es dann das, was Moselriesling da eben so macht. Das ist extrem saftig mit viel Stein und einfach extrem viel Energie dahinter. Und ganz weit hinten schaut das, was in der Nase Butter war, als Honig nochmal vorbei. Also wirklich weit hinten, denn der Wein bleibt echt lange auf der Zunge liegen. Die Frucht ist nachdem man zwei, drei Schlucke hinter sich hat noch klarer geworden und ich mag das total gerne. Der Honig wird mit Luft immer würziger, immer mehr in Richtung Tannenhonig, während gleichzeitig die Frucht strahlender und strahlender wird.

Ich bilde mir ein, dass die Farbe des Weins noch ein bisschen güldener scheint am zweiten Abend. Vielleicht ist das auch Einbildung. Mit Farben habe ich es eh nicht so und bleibe da bei denen, die ich zweifelsfrei zuordnen kann. Wer mir mit lachsfarben oder fliederfarben kommt, naja. Er wirkt aber tatsächlich auch ein bisschen reifer an diesem zweiten Abend. noch ein bisschen buttriger, ein bisschen süßer in der Nase. Das tut dem Strahlen der Frucht und der steinigen Mineralität aber keinen Abbruch, denn die sind beide unverändert vorhanden. Maracujasäure auf der Zunge, Zitrone und Stein. Das ist Streberwein, wenn man ihn denn zu einem machen will. Das ist aber auch einfach nur lecker. Mühelos lecker.

Der Wein aus dem Kröver Letterlay wirkt ganz anders. Da ist weniger Frucht in der Nase und die, die er hat, die ist eher exotisch als kernobstig. Da ist mehr kräuterige Würze beim Riechen und beim Trinken legt sich der Bitterstoff von Zitrusfruchthäutchen auf die Zunge. Es fehlt ein bisschen die spielerische Saftigkeit des Konterparts, die aber von etwas mehr Tiefe aufgefangen wird. Nach den ersten Schlucken klafft der Graben zwischen den beiden Weinen dann noch etwas weiter auseinander. Der Letterlay ist dichter, würziger, viel enger beisamen, mit mehr Kraft und es fällt die im ersten Moment fehlende spielerische Leichtigkeit noch viel deutlicher auf. Der Wein wirkt so ernst im direkten Vergleich. Ob es das halbe Prozent mehr Umdrehung laut Etikett ist. Ich denke nicht. Den Weinen tut Abstand gut. Also voneinander. Lässt man die Zunge eine Weile in Ruhe und trinkt dann zuerst einen Schluck Letterlay, dann ist der nämlich auch richtig saftig. Das verschwindet dann erst wieder, wenn das Paradies darüber hergefallen ist. So direktes Nebeneinandertrinken scheint hier mehr zu schaden als zu nützen.

Es fällt einen Tag später noch schwerer den Wein zu greifen. Er riecht ein bisschen nach Frucht, die nach nichts riecht. Sternfrucht zum Beispiel, diese Richtung. Es erinnert an Frucht, aber nach welcher genau, man weiß es nicht, oder ich weiß es zumindest nicht. Da ist etwas Toffee dabei und weiter die Kräuter. Das Zitrusbittere in der Zungenmitte, die glattere Säure, das mehr an Dichte, das ist schon richtig gut. Wenn es Abstand hat und für sich selber wirken darf, denn direkt neben dem Paradies sieht der Wein weiter keine Sonne. Und das wird ihm nicht gerecht. Wir lassen ihm also den Raum, den er braucht und dann ist es wirklich ein ganz toller Moselriesling. Und wer weiß, vielleicht dreht sich dieser Eindruck in ein paar Jahren ja wieder in die komplett entgegengesetzte Richtung. Denn wer die Weine im Keller hat, Zeitdruck hat der keinen.

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