Carl Loewen - Maximin Herrenberg 2018
Wir trinken von der Mosel eine Flasche Maximin Herrenberg GG vom Weingut Carl Loewen.

Ob ich Longuich ohne nachzuschauen überhaupt geographisch an der Mosel platziert hätte, ich bin mir nicht sicher. Das liegt ganz einfach daran, dass mein komplettes Vor-Ort-Wissen ausschließlich bei Mythos Mosel angehäuft wurde und der westlichste Abschnitt Mythos startet in Detzem. Longuich liegt nochmal eine komplette Flussschleife weiter moselaufwärts in Richtung Trier. Und wo moselabwärts in Richtung Koblenz zumindest noch die Terassenmosel Synapsen in meinem Kopf anknipst und ich Orte auf der Landkarte zuordnen könnte, so sieht es da rund um Trier eher mau aus im Oberstübchen. Bis heute zumindest. Ganz unabhängig davon hätte ich eine Flasche Wein mit Maximin und Herrenberg im Namen, ohne das Etikett gesehen zu haben, sowieso an die Ruwer gesteckt. Und Herrenberge gibt es darüber hinaus insgesamt im deutschen Lagenportfolio wie Sand am Meer. Der Longuicher Maximin Herrenberg liegt gegenüber des Ortes auf der anderen Flusseite mit Blick nach Südwesten. Der Reblaus scheint der rote Schiefer hier nicht wirklich zu gefallen, denn im Weinberg stehen noch Reben, die kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende um 1902 gepflanzt wurden. Es gäbe vom Weingut sogar noch einen Wein aus einer Parzelle hier, die noch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat. Aber bei Rebalter jenseits der 100 Jahre kann man wohl in beiden Fällen beruhigt von alten Reben sprechen.
Die Geschichte des Weinguts Carl Loewen reicht noch grob hundert Jahre weiter zurück an den Anfang des 19. Jahrhunderts. Leiwen, dort sitzt das Weingut, bekomme ich auf der inneren Landkarte ziemlich gut verortet, denn da war ich schon. Aktuell sind Christopher und Karl Josef Löwen, Sohn und Vater, für die Weine verantwortlich. Das Weingut ist Mitglied im Zusammenschluss Der Ring, der bis 2024 noch Bernkasteler Ring hieß, und füllt diesen Wein als Großes Gewächs nach den Statuten der Gemeinschaft, die sich relativ ähnlich zu den Vorgaben beim VDP lesen. Ich habe allerdings nicht im Detail verglichen. Nur so viel: Trauben nur aus klassifizierten Steillagen, Riesling oder Pinot, limitierte Erträge und trocken müssen die Weine sein um als GG beim Ring in Frage zu kommen.
Der Flasche Maximin Herrenberg heute ist Jahrgang 2018. Und mit 2018 hatten wir in den letzten Monaten und sogar Jahren eher durchwachsene Erfahrungen. Das heiße Jahr hat Reben und Winzern richtig viel abverlangt und reift oft nicht besonders harmonisch. Ausladend breit, schon müde oder unangenehm bitter, alles schon gehabt und leider auch alles schon mehrfach. Deshalb schwingt bei jeder Flasche aus 2018 auch immer ein kleines bisschen Angst mit beim Korkenziehen. Hier zum Glück unbegründet.
Da ist gelbe Frucht in der Nase, etwas mineralische Würze und auch eine leichte Reife. Nicht so sehr durch Mürbe oder Buttrigkeit, aber die Frucht, die hat so einen Ton, den junger Riesling eher nicht hat. So ein bisschen Cassiswürze kommt im Hintergrund auch mit, nicht Cassis selbst, aber die Art von Struktur, die schwarze Johannisbeeren haben. Beim ersten Schluck schaue ich vorsichtshalber nochmal auf die Flasche. Ja, da steht tatsächlich trocken und Ring GGs müssen, wie vorher angesprochen, auch trocken sein. Und trotzdem wirkt die Frucht richtig süß. Ananassaft, Kernobst und ein Touch Piña Colada. Die Säure braucht ein paar Momente um in Schwung zu kommen. Ich habe keine Analysewerte gefunden, aber den Ausdruck moseltrocken, den gibt es nicht umsonst und ich denke ein paar Gramm Restzucker wird der Wein schon haben. Vielleicht irre ich mich auch und es kommt tatsächlich komplett aus der Frucht und dem gereiften Extrakt. Da ich sowieso kein Trockenfetischist bin, auch nicht bei GGs, stört mich das nicht besonders. Im Gegenteil, ich finde, dem Wein steht das ganz großartig.
Beeindruckend ist, wie wenig sich tut über Nacht. Denn auch das entspricht nicht meiner Erfahrung mit diesem Jahrgang. Viele Weine, die am ersten Abend noch frisch wirken, neigen dazu, über Nacht dann alle Viere von sich zu strecken. Im Duft erinnert der Riesling jetzt leicht an Likör, doch ein Zeichen von etwas Reife, die Frucht ist immer noch wunderschön, die Mineralität ebenso. Mir gefällt die Frucht beim Trinken noch viel mehr als schon beim Riechen. So viel Ananas. Das ist kein Wein, der einem die Zunge entlang tänzelt, da ist schon Substanz dahinter, Kraft und Volumen, es war eben warm 2018. Aber er ist nicht schwerfällig oder plump dabei. Man hat nach jedem Schluck Lust nochmal einen zu nehmen und dann noch einen. Und wenn man währenddessen anfängt nachzudenken, was die wirklich alten Reben dort an der Mosel schon alles gesehen haben müssen und wie sie nach so vielen Jahren in einem so warmen Jahr wie 2018 Trauben für so einen Wein heranwachsen lassen. Da bleibt nur Demut.