Zwei Flaschen Albrecht Schwegler
Wir trinken zwei Weine aus dem schwäbischen Remstal vom Weingut Albrecht Schwegler: Eine Chardonnay Reserve aus 2022 und einen Granat aus 2019.

Was man bei Wein für normal hält, das hängt ganz stark davon ab, wo man wohnt oder zumindest wo man anfängt in die Weinwelt einzutauchen. Wer da in Deutschland anfängt, für den sind Rebsortennamen auf den Flaschen und sortenreine Abfüllungen absolut selbstverständlich. Spätestens beim Blick über den Tellerrand ins Nachbarland bröckelt diese Selbstverständlichkeit dann. Die Rebsorte erschließt sich da meist aus Lage und Weinfarbe und nicht aus dem, was vorne auf der Flasche steht. Und reinsortige Abfüllungen sind je nach Region auch mal gerne die Ausnahme und nicht etwa die Regel. Man schaue nur mal ins Bordeaux. Und jedes weitere Weinland und jede weitere Region auf der inneren Landkarte macht die Sache komplizierter.
Albrecht Schwegler hatte, ebenfalls ganz selbstverständlich hier in Württemberg, eine Genossenschaftsvergangenheit als er 1990 den ersten Granat unter seinem eigenen Namen auf die Flasche zog. Zusammen mit dem damals ambitionierten Preis von über 40 Mark dürfte das für einige abfällige Kommentare und Widerstände im Umland gesorgt haben. Die Zeit gibt ihm aber Recht und heute steht bereits die Folgegeneration mit Sohn Aaron und dessen Frau Julia am Ruder. Die roten Cuvées sind das Aushängeschild der Schweglers geblieben und auch den Granat gibt es, wie man unschwer auf dem Foto erkennen kann, bis heute. Die aufgerufenen 60 Euro sind zwar immer noch ambitioniert aber dürften angesichts dessen, was so mancher Spätburgunder oder Riesling inzwischen kostet, nur noch für wenig Kommentare sorgen. Die Zusammensetzung schwankt je nach Jahrgang ein bisschen. Die Trauben für den Jahrgang 2019 kommen aus sechs Parzellen mit Zweigelt (51%), Cabernet Sauvignon (32%), Merlot (10%) und einem Touch Lemberger aus den Gemeinden Korb und Großheppach. Ausgebaut wird er für etwas über drei Jahre in komplett neuen Barriquefässern. Aus den inzwischen zusammengekommenen 15 Hektar Rebfläche werden aber längst nicht mehr nur rote Cuvées gekeltert. In der Reserve Linie werden wenige Parzellen reinsortig auf die Flasche gebracht. Im Falle des Chardonnay aus 2022 sind das exakt zwei Parzellen in Korb. Dieser liegt für etwas unter 2 Jahre im Holzfass, mit knapp unter einem Drittel Neuholz.
Kühl und sehr kernig riecht der Chardonnay nach dem Korkenziehen. 2022 ist der aktuelle Jahrgang im Verkauf, deshalb verwundert es nicht besonders, dass der Wein noch verschlossen wirkt. Da ist Zitrusfrucht, etwas Holz und ein wenig Getreide. Es trinkt sich auch kernig, so vom Mundgefühl her. Dahinter kommt dann Zug aus einer Mischung aus Säure und salziger Struktur, die mit Luft beim Schlürfen sich richtig in die Zunge krallt.
Tag Zwei bringt mehr Kernobst und das Getreide hüpft von der Nase in den Geschmack. Es ist ein bisschen Paradox, denn ich würde schon sagen, dass der Wein offener wirkt. Aber gleichzeitig ist er deutlich leiser geworden. Ich ertappe mich dabei, wie ich versuche richtig lange einzuatmen um auch noch die letzten paar Moleküle aus dem Glas in Richtung Riechnerven zu saugen. Ein Glück sieht das niemand. Okay, fast niemand, den verächtlichen Kommentar von Gegenüber ignoriere ich aber gekonnt. Vielleicht ist der Chardonnay aber auch einfach noch zu kalt, denn mit Temperatur kommt er wieder mehr aus sich heraus. Die salzig, kernige Struktur hat er sich in jedem Fall behalten und die Länge lässt einen nicht so einfach vom Haken.
Tag Drei nähert sich wieder dem ersten Abend an. Da ist mehr nussiges Getreide, er wird weicher, charmanter und hat jetzt richtig viel Kernobst sowohl beim Riechen als auch beim Trinken. Und Kernobst ist hier wirklich im Sinne von Kern zu verstehen, denn die Struktur erinnert schon sehr an einen kräftigen Biss ins Kerngehäuse. Das ist wirklich schön und wird viele Jahre noch vor sich haben.
Ein Thema, das sich beim Granat so fortsetzt natürlich. Und ja, ich bin mir voll bewusst, wie jung der noch ist. Aber es ist immerhin nicht der aktuelle Jahrgang im Verkauf sondern der Vorherige. Und ich wollte den jetzt einfach aufmachen. So ein paar Jahre um die Flasche rumschleichen, das wäre nicht gut gegangen. Das ist im Übrigen auch der Grund warum der Chardonnay drei Abende spendiert bekommen hat. Wir wollten zumindest schnuppern an der Entwicklung der kommenden Jahre. Da ist viel Holunderbeere, Dreck und etwas Gestrüpp gemischt mit Süßholz. Da ist sehr viel Duft auf sehr engem Raum. Das ist konzentriert, dicht und beim Trinken dann erstaunlich saftig. Ich hätte mehr Widerspenstigkeit erwartet, aber die Säure hält da richtig gut mit und die dunkle Frucht tut ihr übriges.
Am zweiten Abend zickt er dann ein bisschen. Aromatechnisch hat sich gar nichts getan eigentlich, aber irgendwie will er heute nicht. Das Tannin ist borstiger und leistet den Widerstand, den ich eigentlich direkt von Anfang an erwartet hätte. Macht ja nichts, wir haben ja Zeit mitgebracht. Morgen ist nämlich auch noch ein Tag.
Und tatsächlich, es wird wieder harmonischer am nächsten Abend. Der Wein ist Langstreckenläufer, der sich gerade einläuft. Wir sind früh dran mit ihm, keine Frage. Aber ich würde nicht sagen, dass wir zu früh dran sind. Beim Fleischer des Vertrauens liegen seit Wochen immer wieder wunderschöne Ochsenkoteletts in der Auslage in einer Schnittdicke, die Verwechslungsgefahr mit Carpaccio gar nicht erst aufkommen lässt. Die Liebste isst ja kein Fleisch und so schaue ich Woche für Woche auf diese Dinger. Bis sich, wie es der Zufall will, an just diesem Wochenende die perfekte Gelegenheit ergab. Und für zwei Fleischesser kann man sich ein Kilo Rohgewicht problemlos schön rechnen, denn man muss ja mindestens noch den Knochenanteil abziehen. Es ist ein bisschen ausgelutscht vielleicht, das Pairing großer Rotwein und großes Stück trockengereiftes Fleisch. Aber wenn es so gut funktioniert wie hier, ja was will man da groß mäkeln. Die tolle dunkle Frucht, die Struktur, die Würze, die aromatische Dichte und Tiefe sind einfach der perfekte Partner zum Essen. Das Tannin hat sich beruhigt und so verschwindet die Flasche ziemliche schnell. Wer auch eine hat und den Korken jetzt schon ziehen will, der sollte also Zeit mitbringen oder einen ordentlichen Lappen Ochsenkotelett. Oder beides. Ansonsten ist es garantiert kein Fehler noch ein paar Jahre zu vergessen, dass diese Flasche existiert. Der Wein wird es einem nicht übel nehmen und noch ganz lange Freude machen.